Damit das so bleiben kann, musste Cheney weg. Unter den 264 Republikanern in beiden Kammern des Kongresses ist sie die einzige Abgeordnete von Rang, die Trump dauerhaft die Stirn bietet. Als Trump-„Jünger“ auf verklausulierte Anweisung ihres „Helden“ am 6. Jänner das Kapitol stürmten, erklärte sie: „Niemals hat es einen größeren Verrat eines Präsidenten der Vereinigten Staaten an seinem Amt und seinem Eid gegeben.“
Cheney gehörte zu den zehn Abgeordneten im eigenen Lager, die Trumps Amtsenthebung forderten. Schon dafür wollten Trump-Treue sie absägen. Bisher hielt eine Mehrheit der Fraktion ihr die Stange. Nun hat sich der Wind gedreht. Trump gibt nicht klein bei. Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht den Eindruck erweckt, Joe Biden sei das Produkt illegitimer Machenschaften.
Verschwörungstheorien
So unterstützt Trump eine zum Scheitern verurteilte Nachzählung in einem Wahlbezirk in Arizona. Dort suchen ungeschulte Wahlhelfer nach Bambusspuren auf Wahlzetteln. Hintergrund ist die Verschwörungstheorie, wonach getürkte Stimmzettel aus Asien im November eingeflogen worden seien, um Trump den Sieg im Süd-Bundesstaat zu stehlen.
Im Hier-stehe-ich-und-kann-nicht-anders-Stil erklärte Cheney am Vorabend ihres Strafgerichts, sie werde nicht untätig zusehen, wie sich ihre Partei „dem Kreuzzug des Ex-Präsidenten anschließt, um unsere Demokratie zu untergraben“. Wörtlich sagte sie: „Zu schweigen und die Lüge zu ignorieren, ermutigt den Lügner.“
Dafür forderte der Ex-Präsident die Demontage einer „kriegshetzerischen Närrin“, die weder „Persönlichkeit noch Herz hat“. Diesmal hatte Trump nicht nur die ihm aufs Wort gehorchenden Top-Leute der Fraktion an seiner Seite. Weite Teile der Republikaner haben sich dem Eindruck gebeugt, dass man es sich mit Trump (und seinen 74 Millionen Wählern) verscherzt, wenn Cheney bleibt. Frank Luntz, der bekannteste republikanische Meinungsforscher, hält das für fatal. Trumps Erzählung von der gefälschten Wahl könne im konservativen Lager zu schwacher Wahlbeteiligung führen. Wovon die Demokraten profitieren könnten.
Schwer verdaulich
Dass die Republikaner die Wahlbetrugslüge Trumps zum offiziellen Parteiprogramm machen und Liz Cheney dabei als eine Art Jeanne d’Arc in der Landschaft steht, ist für viele politisch Interessierte nicht gut verdaulich. Cheney hat vier Jahr lang für Trumps nationalistische America-First-Politik gestimmt.
Sie verteidigte die Folter-Politik ihres Vaters nach dem Terror von 9/11. Sie sympathisierte mit den Verschwörungsrassisten, die Obamas US-Staatsbürgerschaft anzweifelten. Und als im Wahlkampf 2016 Trumps frauenverachtendes Zwischen-die-Beine-greifen-Tonband herauskam, erklärte sie, Hillary Clintons eMail-Skandal sei „viel schlimmer“.
Heute ist Cheney Kronzeugin für den desolaten Zustand der „Grand Old Party“.
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