Taiwan hat 24 Millionen Einwohner, ist nur etwa 130 Kilometer vom chinesischen Festland entfernt, täglich pendeln Tausende hin und her. Dennoch hat Taiwan nur 47 Coronavirus-Fälle. Wie geht das? Und was kann Österreich von Taiwan und auch China, wo die Fallzahlen massiv sinken, lernen?
Viel: Denn sowohl auf der taiwanesischen Insel als auch am chinesischen Festland waren die Maßnahmen rigoros. Und zumindest Taiwan begann bereits am 31. Dezember, jeden einzelnen Passagier aus Wuhan zu kontrollieren. In Österreich waren da gerade mal Kurzmeldungen über eine „neuartige Lungenkrankheit“ in China zu lesen.
Als der erste Fall auf der Insel am 21. Jänner registriert wurde, war bereits eine Reihe an Vorkehrungen getroffen worden. „Taiwan hat binnen kurzer Zeit 124 Aktionen gesetzt, um die Ausbreitung zu verhindern“, sagt Jason Wang, Gesundheitspolitik-Experte der Universität Stanford, der darüberein wissenschaftliches Paper verfasst hat. Die wichtigsten: Zuerst wurde allen Chinesen die Einreise verboten, kurz danach allen Personen, die ein Risikogebiet besucht hatten.
Damit war Taiwan schneller dran als alle anderen Länder der Welt.
In China war das anders, wie wir jetzt wissen. Dort wurde der Ausbruch des Virus in Wuhan lange verschwiegen, die richtigen Maßnahmen erst sehr spät gesetzt. Dennoch habe man die Situation jetzt unter Kontrolle, heißt es zumindest seitens der Behörden. Wie hat das Land mit etwa 80.000 Fällen es geschafft, dass täglich nur mehr etwa 100 neue hinzukommen?
Öffentlicher Pranger
Mit ähnlichen Maßnahmen wie Taiwan – allerdings noch viel strengeren. Während in Taiwan etwa die Schulen eine Zeit lang geschlossen wurden und danach nur clusterweise gesperrt wurden (je nach Fallzahl in einem gewissen Radius), setzte China seine Bürger zu Hause fest. Kürzlich standen in Peking noch immer mehr als 800.000 Menschen unter Quarantäne, Tausende Infizierte wurden von ihren Familien separiert und in Lager gebracht.
In China wird zudem sozialer Druck ausgeübt: Jeder Chinese hat in den vergangenen zwei Monaten einen QR-Code übermittelt bekommen, der bei allen Checkpoints gescannt wird – der Staat zeichnet so Bewegungsprofile auf. Auch Fieberdaten werden kontinuierlich übermittelt, ebenso die Sozialkontakte. Wer sich daneben benimmt, wird an den sozialen Pranger gestellt: Im Netz kursieren Videos von Chinesen, die öffentlich gedemütigt werden, weil sie die Maßnahmen nicht befolgen.
Überall wird Fieber gemessen
In Taiwan hat man auf die Selbstbeherrschung der Bürger gesetzt. Mit Erfolg: Die Insel hat aus dem SARS-Ausbruch im Jahr 2003 gelernt, bei dem 73 Menschen starben. „Wir haben damals einen hohen Preis bezahlt“, sagt die Taiwanesin Lin, die in Wien lebt. „Darum werden bei uns extreme Maßnahmen gesetzt: In jedem Restaurant wird Fieber gemessen, wer mehr als 37 Grad hat, darf nicht rein.“ Dazu müssen Eltern die Temperatur ihrer Kinder messen und an die Schulen übermitteln; auch auf allen Airports werden Fieberscans durchgeführt.
Massenkontrollen
Taiwan hat freilich einen massiven Vorteil. Es ist eine Insel, und da lässt es sich leicht kontrollieren, wer einreisen darf und wer nicht. Derzeit wird etwa die Reisehistorie jedes Passagiers aufgezeichnet; wer in einem Risikogebiet war, muss ohnehin 14 Tage in Quarantäne. Dort wacht dann, ähnlich wie in China, das Auge des Staates über den Bürger: Per staatlichem Handy werden Bewegungen der Personen in Quarantäne aufgezeichnet und Gesundheitsdaten übermittelt. Wer sich daran nicht hält, zahlt: 10.000 Dollar Strafe setzte es etwa für einen Mann, der nach einem Wuhan-Besuch an einer Party teilnahm, berichtet NBC.
Präventivmaßnahmen
Taiwan lässt es damit aber nicht bewenden, man sorgt auch massiv vor. Nicht nur mit der Bereitstellung von 2 Milliarden Dollar für die Wirtschaft und der Ankurbelung der Schutzmasken-Produktion, sondern auch mit massenhaft Coronatests: Jeder, der trotz Antibiotikatherapie länger als drei Tage unter Atemwegsbeschwerden leidet, wird getestet und beobachtet; dazu alle Personen aus dem Medizinbereich, die Beschwerden haben. Dazu werden von jedem (!) Einreisenden mit minimalen Symptomen Abstriche genommen.
China hat ähnliches zustande gebracht, lobte die WHO zuletzt in einem Bericht. „Extreme proaktive Überwachung“, nannte man das. Ob so etwas auch in Europa möglich ist? Schwerlich: Bruce Aylward, der für die WHO die Fact-Finding-Mission in China leitete, meinte dazu, dass die meisten Ländern „nicht bereit wären, solche Maßnahmen zu ergreifen – weder von ihrer Denkweise noch was den Materialeinsatz angeht.“
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