Wie Russland bei den Kongresswahlen mitmischt

"Meine Herrschaften, wir haben interveniert, wir intervenieren gerade und wir werden weiter intervenieren."
Diese Ansage hat es in sich: Das erste Mal hat jemand aus Wladimir Putins Umfeld zugegeben, dass Moskau sich in die Wahlen anderen Länder einmischt. Jewgenij Prigoschin, bekannt als "Putins Koch", weil er seinen Chef einst tatsächlich bekochte und später mit Trollfarmen und seiner Wagner-Privatarmee andere, weit dreckigere Arbeiten für ihn erledigte, hat damit bestätigt, was seit der Wahl Trumps 2016 vermutet und teils auch belegt worden war. Moskau hatte seine Finger bei US-Wahlen im Spiel – und hat sie noch immer.
Verunischerung
Auch bei den Midterms, den heute stattfindenden US-Kongresswahlen, habe man mitgemischt, ließ Prigoschin wissen. Die Methode ist dieselbe wie schon 2016: Prigoschins Trollarmee – ein Heer an Programmierern, die in St. Petersburg stationiert sind – machte damals mittels Abertausender gefälschter Social-Media-Accounts Stimmung für die Republikaner. Das bestätigten auch US-Cyber-Security-Firmen.

Archivbild: Trump und Putin schütteln Hände in Helsinki, 2018.
Geworben wird jetzt vor allem für jene Kandidaten, die der Ukraine keine Waffen mehr liefern wollen, gegen US-Präsident Biden und gegen demokratische Mandatare wird gehetzt, sie werden mit erfundenen Geschichten diskreditiert. So heißt es etwa, dass Tim Ryan, Demokraten-Kandidat aus Ohio, bei einem Wahlsieg alle Opiumabhängigen und Drogendealer aus der Haft entlassen werde – das ist blanker Unsinn.
Wie weit diese Geschichten das Wahlverhalten tatsächlich beeinflussen, ist aber unklar. "Ich glaube nicht, dass die grundlegende Meinung so manipulierbar ist, wie Moskau es sich erhofft", analysiert Sam Greene, Russlandexperte vom Londoner King's College. Es gehe da eher ums größere Ganze, so der Experte: Der Kreml provoziere allein mit der Ansage, die US-Wahlen beeinflussen zu können, massiv Verunsicherung bei den Wählern.
Dass sich mit Prigoschin auch eine hochrangige Person aus dem Kreml-Umfeld aus der Deckung wagt, soll dem Ganzen wohl die nötige Glaubwürdigkeit verleihen. Ähnlich wie bei der Wahl 2020, als Trump seine Niederlage nicht anerkennen wollte, sollen so Zweifel am Ergebnis gesät werden – was Moskau vor allem bei einem Sieg der Demokraten helfen würde.
So mächtig wie nie
Prigoschins breitbeinige Ansage hat aber noch einen zweiten Effekt. Innerhalb Russlands ist es beliebtheitsfördernd, wenn man dem Westen – im übertragenen Sinne – den Mittelfinger zeigt; je markiger, desto besser. Deshalb hat Prigoschins Auftreten auch innenpolitische Motive. Er, der ewige Schattenmann, ist in Moskau mittlerweile in höchste Sphären aufgestiegen.
Bis Putin, dem er seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden ist, die Invasion auf die Ukraine startete, war Prigoschin höchst öffentlichkeitsscheu. Artikel darüber, dass er der Chef der Wagner-Söldner sei, hat er nicht nur juristisch bekämpfen lassen, sondern auch mit Gewalt. Journalisten, die seiner Privatarmee in der Zentralafrikanischen Republik hinterherreisten, ließ er etwa 2018 ermorden.

Das FBI fahndet nach Prigoschin wegen Wahleinmischung.
Mittlerweile hat der 61-Jährige um seine Wagner-Truppen aber ein PR-Imperium aufgebaut, riesiges Headquarter in St. Petersburg inklusive. Er ist in TV-Sendungen zu Gast und betreibt massives Eigenmarketing, bereist etwa Straflager im ganzen Land und wirbt dort öffentlichkeitswirksam Gefangene ab, um sie in die Ukraine zu schicken.
Warum er die Öffentlichkeit so massiv sucht, darüber rätseln Beobachter seit Längerem. Prigoschin, der in den 1980ern selbst wegen Raubüberfalls im Gefängnis saß, will wohl nicht nur im Schatten der Politik Karriere machen, wird gemutmaßt. Bisher habe er mit seiner Wagnertruppe und den Trollen Putin unterstützen wollen. Nun könnte er seinem Chef Konkurrenz machen: Prigoschin, heißt es, träume selbst von höchsten Ämtern.
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