Wie Griechenland einen Keil in die Länder der Eurozone treibt
Das griechische Parlament hat in der Nacht auf Samstag der Regierung die Vollmacht erteilt, über weitere Spar- und Reformmaßnahmen mit den Gläubigern zu verhandeln und eine Einigung zu unterzeichnen. Wie das Parlamentspräsidium mitteilte, billigten 251 Abgeordnete das Sparprogramm, 32 Parlamentarier stimmten dagegen. Acht enthielten sich der Stimme. Der linke Flügel der Partei Tsipras lehnt die Spar- und Reformvorschläge ab.
Aus Brüssel kamen "positive" Signale. Die Gläubiger-Institutionen EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB) sind im Grundsatz mit den Athener Spar- und Reformplänen zufrieden, hieß es Samstag kurz nach Mitternacht.
Reicht das?
Doch reichen die griechischen Spar- und Reformvorschläge den internationalen Geldgebern – oder reichen sie nicht?
Von der kritischen Prüfung dieser Frage hängt ab, ob Griechenland neue Kredite bekommt oder ob Staatsbankrott und Austritt aus der Eurozone unvermeidlich sind.
Die Reaktionen auf die fristgerecht vorgelegten neuen Pläne der Griechen, die der Athener Regierung 53,5 Milliarden Euro bringen sollen, fielen am Freitag unterschiedlich aus. An den beiden Großen in der EU, Frankreich und Deutschland, zeigten sich die Differenzen deutlich: Berlin war zurückhaltend, Paris positiv.
So oder so hat die Politik der linkspopulistischen griechischen Regierung und ihr monatelanges Pokerspiel die Mitglieder der Eurozone gespalten.
Hinter dem Skeptizismus von Wolfgang Schäuble (Artikel: Gemeinsamer Euro könnte an Schäuble scheitern), der seit Längerem kein gutes Haar an den Griechen lässt und eher mit einem Grexit spekuliert, versammeln sich die Kritiker der Athener Politik: Die baltischen Republiken, die Niederlande, Finnland und die Slowakei.
Frankreichs Staatspräsident François Hollande stellt sich an die Spitze jener Länder, welche die neuen griechischen Reformvorschläge gutheißen. Er findet sie "seriös und glaubwürdig". Hinter ihm stehen die Regierungschefs von Italien, Österreich, Luxemburg, Belgien, Malta, Zypern und Ungarn.
Abwartend verhalten sich krisengeschüttelte Staaten, die zuletzt selbst einschneidende Sparprogramme durchführen mussten. Dazu zählen Spanien, Portugal, Irland und Slowenien.
In hektischen Gesprächen und Telefonkonferenzen stimmten sich die EU-Verantwortlichen über die neuen griechischen Pläne ab.
Strenge Prüfung
Stimmen die Euro-Finanzminister den Vorschlägen aus Athen nicht zu, sind am Sonntag die 28 EU-Staats- und Regierungschefs am Zug. In letzter Konsequenz hängt die Zukunft Griechenlands von ihnen ab.
Fällt das Urteil positiv aus, wollen sich die EU-Granden trotzdem treffen, weil ein milliardenschweres Hilfsprogramm alle Mitglieder trifft.
Entscheidend für die finale Beurteilung des Reformkonzepts ist die Abstimmung im griechischen Parlament vorab über einzelne Maßnahmen; das gilt bei den Geldgebern als "vertrauensbildend".
Wichtig ist auch die Nachhaltigkeit des Programms. Essenziell für die Vergabe der milliardenschweren Hilfen ist die Bescheinigung der Gläubiger, dass das Land seine Kredite zurückzahlen kann. Und da kann es sich noch spießen. Etliche Staaten – darunter auch Deutschland – haben bisher immer eingeräumt, dass ein neuerlicher Schuldenschnitt für Griechenland unter keinen Umständen infrage komme.
Doch wie ein Wunder hat Schäuble erstmals eingeräumt, dass die Schulden im Moment zu hoch sein könnten. Er könne sich auch vorstellen, mit der Regierung von Premier Tsipras über eine Umschuldung zu verhandeln. Der Internationale Währungsfonds weist seit Längerem darauf hin, dass die Schuldenlast von Athen zu hoch sei. "Und da hat er recht, fürchte ich", sagte Schäuble bei einer Konferenz. "Schuldentragfähigkeit ist ohne einen Schuldenschnitt nicht zu machen." Die Aussage gilt als Tabubruch.
Schuldenerlass
Wie kann also die Kreditlast sinken? Die Euro-Länder könnten Athen anbieten, die Schulden – derzeit liegen sie bei 180 Prozent des BIP – erst in ferner Zukunft zurückzuzahlen.
Davon wollen aber ärmere Euro-Staaten, wie auch der slowakische Finanzminister Peter Kazimir nichts wissen.
Er wundert sich nur, wie die Griechen es schaffen, nach dem Referendum ein Programm vorzulegen, gegen das 61 Prozent der Wähler gestimmt haben. Ironisch twitterte er gestern: "Wenn man die jüngsten Entwicklungen verfolgt und griechischen Regierungsvertretern zuhört, kann man sich nur wundern, wie schnell sich eine Raupe in einen Schmetterling verwandeln kann."
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Reichen die griechischen Spar- und Reformvorschläge oder reichen sie nicht? – Diese Frage muss bis Sonntag Mitternacht beantwortet werden, um Griechenland vor dem Staatsbankrott zu retten oder die Pleite und somit den Austritt aus dem Euro zu riskieren.
Die Euro-Staaten sind in drei Gruppen gespalten:
Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) findet die Athener Pläne für nicht ausreichend. Hinter Schäuble stehen die drei baltischen Republiken, die Niederlande und Finnland.
Frankreichs Staatspräsident François Hollande steht an der Spitze der Länder, die die Reformvorschläge würdigen und Griechenland unbedingt im Euro halten wollen. Eng mit Hollande kooperiert Bundeskanzler Werner Faymann, Italiens Matteo Renzi. Zu dieser Gruppe zählen auch Luxemburg, Belgien, Zypern und Malta. Zur Gruppe der indifferenten Länder, aber eher wohlwollend, gehören die Staaten, die selbst einschneidende Reformen und Sparmaßnahmen durchführen mussten (Spanien, Portugal, Irland, Slowenien).
Eine Schlüsselrolle wird der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zukommen. Zuletzt zeigte sie sich – im Gegensatz zu Schäuble – konzilianter gegenüber den griechischen Reformplänen. Sie lehnt zwar einen klassischen Schuldenschnitt ab, ist aber offensichtlich zu einer Form von Schuldenentlastung bereit.
Überraschend hat Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem Freitagvormittag die Hoffnung auf eine Einigung mit Griechenland geweckt. Am Samstag könnten die Euro-Finanzminister eine „große Entscheidung“ treffen. Die jüngsten griechischen Vorschläge bezeichnet Dijsselbloem als „sorgfältig“.
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