Wie eine riesige Stadt: Kenia will größtes Flüchtlingslager der Welt loswerden
Würde man Dadaab, das größte Flüchtlingslager der Welt, nach St. Pölten verlegen – es würde zwar nur die Hälfte der Fläche der niederösterreichischen Hauptstadt einnehmen, aber mehr als sieben Mal so viele Einwohner zählen. Seit die ersten somalischen Flüchtlinge hier im Nordosten Kenias vor mehr als zwanzig Jahren ihre windschiefen Zelte aufschlugen, hat sich Dadaab zu einer riesigen Stadt entwickelt. Einwohnermäßig wäre sie mit 350.000 Menschen, fast alles somalische Flüchtlinge, die viertgrößte Stadt des Landes.
Doch länger will die Regierung in Nairobi das ewige Provisorium nun nicht mehr dulden. Der Lagerkomplex müsse ebenso verschwinden wie ein zweites, großes Flüchtlingslager, verlangt die kenianische Führung – betroffen wären insgesamt 600.000 Menschen. "Die Botschaft ist klar: Wir schließen die Lager, und wir akzeptieren keine neuen Flüchtlinge mehr", kündigte ein Sprecher des Innenministeriums gestern an. Denn in Nairobi geht man davon aus, dass sich in den beiden großen Flüchtlingslagern Kämpfer der dschihadistischen Al-Shabaab-Milizen eingenistet haben und dort auch ständig Nachwuchskämpfer anwerben.
Terror der Al-Shabaab
Die islamistische Al-Shabaab ("Die Jugend") hat ihren Ursprung in Somalia. Inzwischen terrorisieren ihre Kämpfer allerdings ganz Ostafrika, besonders betroffen ist das Nachbarland Kenia. Hunderte Menschen fielen ihren Attentaten zum Opfer, einer der blutigsten Anschläge ereignete sich vor rund einem Jahr: Shabaab-Kämpfer hatten die Universität der ostkenianischen Stadt Garissa überfallen, dort gezielt die christlichen Studenten herausgesucht – und fast 150 von ihnen erschossen.
Danach wollte Nairobi das Flüchtlingslager Dadaab sofort schließen lassen: Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das Dadaab verwaltet, konnte dies allerdings noch einmal verhindern. Nun aber scheint Nairobis Geduld am Ende. Kenia zählt zu jenen acht Ländern, die mehr als die Hälfte der weltweit 60 Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben – neben der Türkei, Pakistan, dem Libanon, dem Iran, Äthiopien, Jordanien und Uganda.
Aufnahme-Länder
Angesichts der Belastung für diese Länder, aber auch der steigenden Flüchtlingszahlen drängt die UNO auf ein ehrgeiziges Umsiedlungsprogramm. Knapp zwei Millionen Flüchtlinge sollten jedes Jahr eine vorübergehende oder sogar dauerhaft neue Heimat in den reicheren Ländern der Welt erhalten, fordert UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Bei einem UN-Gipfel im September soll dies beschlossen werden, bei einer folgenden Konferenz unter der Leitung von US-Präsident Barack Obama festgelegt werden, welche Länder wie viele Flüchtlinge aufnehmen.
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