Wie die Briefwahl in der Schweiz funktioniert

Wie die Briefwahl in der Schweiz funktioniert
Für Abstimmungen greifen die Eidgenossen vier Mal im Jahr zum Briefkuvert - ohne Probleme. Wie ist die Briefwahl dort organisiert?

"Es geht um die Wahlkuverts, die nicht ordentlich kleben, oder?" Als Journalist tut man sich in diesen Tagen leicht, bei der Vermittlung in der Schweizerischen Bundeskanzlei ahnt man gleich, weshalb hier der Redakteur aus dem Nachbarland anruft, da muss gar nicht mehr viel erklärt werden. Als Österreicher hat man's da schon schwieriger. Das Gegluckse am anderen Ende der Telefonleitung ist nicht zu überhören. "Entschuldigen Sie bitte, aber da haben sie ja einen ganz schönen Scherbenhaufen beinander."

Seit 1994 stimmen die Schweizer auf nationaler Ebene mittels Briefwahl ab, bereits seit 1978 in einzelnen Kantonen. Probleme wie jetzt in Österreich gab es dabei nie. Die Schweiz gilt als absolutes Vorzeigeland in Sachen direkter Demokratie - auch für die heimische FPÖ. Nach eidgenössischem Vorbild wurden in jüngerer Vergangenheit Volksbefragungen über CETA und TTIP gefordert. Eine Abstimmung zum Austritt aus der EU gehört seit Längerem zum Programm der Freiheitlichen.

Auf die Briefwahl hätte die FPÖ zugunsten der Einhaltung des Wahltermins am 2. Oktober zuletzt jedoch verzichtet. Bundesparteichef Heinz Christian Strache sprach sie dafür aus, die "manipulationsanfällige Briefwahl" entweder abzuschaffen oder "zumindest zu reformieren."

Dabei macht diese einen bedeutenden Teil des vielgelobten Schweizer Modells aus. Bis zu 90 Prozent der Wähler machen dort von dieser Option Gebrauch. Der KURIER bat Ursula Eggenberger von der Schweizerischen Bundeskanzlei, die die Abstimmungen organisiert, und Claudia Alpiger von der Universität Bern, die wichtigsten Fragen zum Schweizer Briefwahlmodell zu beantworten.

Wie oft kommt die Briefwahl im Schnitt zum Einsatz?
Auf eidgenössischer Ebene gibt es in der Schweiz in der Regel vier Abstimmungstermine pro Jahr und alle vier Jahre Wahlen.

Wie viele Schweizer wählen per Briefwahl?
Der Anteil variiert je nach Kanton. Teilweise gehen über 90 Prozent der Stimmen brieflich ein.

Muss man die Briefwahl beantragen, oder wird die automatisch zugeschickt?
Die briefliche Stimmabgabe ist für alle Stimmberechtigten voraussetzungslos möglich. Das heißt, die rund 5,3 Millionen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erhalten die für die briefliche Stimmabgabe notwendigen Unterlagen für Abstimmungen und Wahlen automatisch per Post zugeschickt.

Welche Rolle spielt die Briefwahl für die direkte Demokratie der Schweiz?
Die Briefwahl hat in der Praxis aufgrund der hohen Nutzung durch die Stimmberechtigten eine große Bedeutung bei Wahlen und Abstimmungen.

Präsidentschaftskandidat Hofer meinte, die unterschiedlichen Ergebnisse zwischen Urnen- und Briefwahl würden in Österreich darauf hindeuten, dass da etwas nicht ganz richtig laufen könne. Wie sehen Sie diese Aussage aus Schweizer Perspektive? Sind hier Unterschiede bei Brief- und Urnenwahl feststellbar?
Das wird nicht erhoben.

Können die Schweizer von überall wählen?
Ja, die Stimme muss lediglich in jener Gemeinde eingehen, in der der Stimmberechtigte seinen politischen Wohnsitz hat, wo er im Stimmregister eingetragen ist.

Welche Art von Kuvert kommt zum Einsatz?
Die Gestaltung der Kuverts ist vom Bund nicht vorgegeben und daher nicht einheitlich. Sie liegt in der Kompetenz von Kantonen und Gemeinden, wo die verschiedenen Kuverts zum Einsatz kommen.

In Zürich und dem Wallis zum Beispiel sind die Kuverts so designt, dass man sie öffnen und zum Zurücksenden wieder verschließen kann. Es hat ein Adressfenster, wo die Adresse der Stimmberechtigten zu sehen ist. Wenn man dasselbe Kuvert wieder zurücksendet, dann kann man den Stimmrechtsausweis so in der Kuvert legen, dass die eigene Adresse nicht mehr zu sehen ist, sondern nur noch die Adresse der Gemeinde.

Gab es bzw. gibt es in der Schweiz Bedenken, was die Sicherheit der Wahlkarten betrifft?
Die Briefwahl ist seit Jahrzehnten im Einsatz und bewährt. Sie genießt bei der Bevölkerung hohes Vertrauen und wird, wie bereits erwähnt, rege genutzt.

Bedenken wegen des Stimm‐ und Wahlgeheimnisses gibt es aber vor allem dann, wenn der Stimmrechtsausweis nicht getrennt von den Wahlzetteln abgegeben werden kann. Dies ist von den kantonalen Regelungen abhängig.

Worin sehen Sie die Vorteile der Briefwahl in der Schweiz?
Die briefliche Stimmabgabe ist ein komplementärer Stimmkanal zusätzlich zum Gang an die Abstimmungsurne und – in gewissen Fällen – dem E-Voting. Die Stimmberechtigten können ab Erhalt des Stimmmaterials – 3 bis 4 Wochen vor dem Urnengang – stimmen und wählen.

Gab es schon einmal Probleme, musste schon einmal eine Wahl wegen schadhafter Kuverts wiederholt oder verschoben werden?
Auf nationaler Ebene nicht. Es musste aber einmal eine kantonale Volksabstimmung wiederholt werden, weil ein angefochtenes Ergebnis nicht nachgezählt werden konnte. Die Gemeinde hatte die Unterlagen bereits vernichtet (siehe Faksimile unten).

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