Weltweit größtes Journalisten-Gefängnis

Lahodynsky fordert Härte gegenüber der Türkei, aber weitere EU-Gespräche
Gastkommentar: Otmar Lahodynsky, Präsident der Vereinigung Europäischer Journalisten, fordert mehr Druck Europas auf die Türkei

"Die Türkei hat sich in das weltweit größte Gefängnis für Journalisten verwandelt. Mehr als 140 türkische Kolleginnen und Kollegen befinden sich seit dem gescheiterten Militärputsch vom Juli in Haft. Oft wird ihnen nicht mehr als die simple Publikation von früher erschienenen Artikeln vorgeworfen. Vielen droht eine Anklage nach dem Anti-Terrorgesetz oder nach den Notstands-Regeln. Dazu kommt die zwangsweise Schließung von zahlreichen Medienunternehmen unter fragwürdigen Anschuldigungen wie der angeblichen Zugehörigkeit zur Gülen-Bewegung. Bereits vor dem Putschversuch wurden mehrere kritische Medien – darunter die Zeitung Zaman und kurdische Zeitungen – unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt.

Die "Vereinigung Europäischer Journalisten" (AEJ) mit 20 Ländersektionen forderte heuer bereits mehrfach die türkische Regierung dazu auf, ihren Verpflichtungen nach den Anforderungen als Mitglied des Europarates sowie als EU-Beitrittskandidat nachzukommen.

Willkürliche Justizverfahren

Die EU-Institutionen und auch ihre Politiker müssen ihren Einfluss darauf nehmen, dass die wegen ihrer Berufsausübung in der Türkei verhafteten Journalisten unverzüglich freikommen und die türkische Regierung die willkürlichen Justizverfahren einstellt. Die Türkei muss sich an internationale Verpflichtungen zur Respektierung der Medienfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung halten. Auch die Verhaftung von Oppositionellen, darunter kurdische Abgeordnete, darf nicht länger toleriert werden.

Aus diesem Grund lehne ich den Abbruch von Beitrittsverhandlungen durch die EU, wie ihn Bundeskanzler Kern gefordert hat, ab. Denn damit hätte die EU überhaupt keine Möglichkeit mehr, ihren Einfluss gegen die undemokratischen Vorgänge in der Türkei auszuüben. Auch die Nato-Partner müssten den Druck auf Ankara erhöhen, was sie derzeit wegen der Koalition gegen das Assad-Regime und wegen der strategisch wichtigen Lage leider nicht tun.

Gegen die Todesstrafe

Natürlich wäre die von Recep Tayyip Erdogan wiederholt geforderte Wiedereinführung der Todesstrafe ein Schritt, der eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union verunmöglicht und auch zum Ausschluss aus dem Europarat führen müsste.

Manche türkische Kollegen fürchten, dass Erdogan inzwischen genau diesen Ausschluss anstrebt. Denn damit müsste die türkische Regierung keine Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht in Straßburg mehr abwarten.

Erdogan wird wohl seine Partnerschaft mit Russlands Staatschef Vladimir Putin verstärken. Auch der neugewählte US-Präsident Donald Trump wird Erdogans harten Kurs eher unterstützen.

Umso mehr müssen die europäischen Partner nun verstärkt Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei einmahnen.

Nicht nur im Interesse der inhaftierten Journalisten.

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