Müssen wir uns in Europa davor fürchten, ärmer zu werden?

Müssen wir uns in Europa davor fürchten, ärmer zu werden?
Was bedeuten abgehängte Regionen für eine Gesellschaft? Wird die Kluft zwischen Arm und Reich größer? Muss nicht sein, sagt Ökonom Paul Collier.

Dieses Interview ist Teil der KURIER-Serie “Angst vor der Zukunft?”, in der wir Expertinnen und Experten mit den brennendsten politischen Fragen für das neue Jahr konfrontieren. Der nächste Teil erscheint am 5. Jänner. Alle bisherigen Serien-Teile finden Sie hier.

Die Welt verändert sich: Einst wohlhabende Industrieregionen in Europa, wie Deutschland oder Großbritannien, verlieren den Anschluss; es drohen Standortschließungen und der Verlust Tausender Arbeitsplätze. Der renommierte britische Entwicklungsökonom Paul Collier, einst Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank, legt in seinem aktuellen Buch "Aufstieg der Abgehängten" den Fokus auf die wachsende Ungleichheit zwischen abgehängten und prosperierenden Regionen. Er erklärt, welche sozialen Folgen das Abgehängt-Sein für die Gesellschaft sowie auf globaler Ebene hat und wie die Abwärtsspirale gestoppt werden kann.

KURIER: In Deutschland erlebt die Autobranche einen Niedergang, Frankreich muss wegen seines Schuldenbergs sparen, Großbritannien gilt als pleite und kaputt. Welche Folgen haben solche Entwicklungen im eigentlich reichen Europa?

Paul Collier: Wir sehen gerade, dass eine bisher weit verbreitete Annahme der marktliberalen Ökonomie grundlegend falsch ist: nämlich dass abgehängte Regionen mit niedrigen Löhnen und Grundstückpreisen attraktiv seien für Investitionen und Kapitalflüsse. Das Gegenteil ist der Fall, solche Regionen sind abschreckend, und bleiben, wenn nichts geschieht, abgehängt, sowohl auf globaler als auch nationaler Ebene.

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