Weißrussischer Oppositioneller sticht sich vor Gericht in den Hals

Weißrussischer Oppositioneller sticht sich vor Gericht in den Hals
Verzweiflungstat des Angeklagten Stepan Latypow löst Entsetzen in Weißrussland aus.

Der weißrussische Oppositionelle Stepan Latypow hat am Dienstag im Gerichtssaal versucht, sich das Leben zu nehmen. Stepan Latypow sei nach der Befragung seines Vaters auf die Bank in seinem Anklagekäfig gestiegen und habe mit einem Stift in seinen Hals gestochen, bis er das Bewusstsein verlor, berichtete die weißrussische Menschenrechtsorganisation Wjasna am Dienstag. Er wurde ins Krankenhaus gebracht.

Zuvor habe der 41-Jährige noch seinem Vater berichtet, dass ihm mit rechtlichen Schritten gegen seine Verwandten gedroht worden sei, wenn er sich nicht schuldig bekenne, berichtete Wjasna weiter. Latypow erschien demnach mit Blessuren vor Gericht.

"Jeden Tag neue Opfer"

Im autoritär geführten Land hat der Suizidversuch eines politischen Gefangenen im Gerichtssaal Entsetzen ausgelöst. Stepan Latypow sei „ein neues Opfer des Regimes - und mit jedem Tag werden es mehr“, schrieb Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaj am Mittwoch.

Unabhängige Medien haben Videos veröffentlicht, wie Latypow am Hals blutend aus einem Minsker Gerichtsgebäude getragen wurde. Mittlerweile sei sein Zustand aber stabil, er sei nicht mehr in der Klinik, berichteten Medien unter Berufung auf Latypows Angehörige.

Latypov, von Beruf Baumpfleger, hatte sich wie viele Weißrussen bei den Protesten im vergangenen Jahr gegen Machthaber Alexander Lukaschenkow engagiert. Er hat auch einige Videos ins Netz gestellt.  Im September wurde er in der Nähe seines Wohnblocks in Minsk festgenommen und muss sich nun wegen einer Reihe von Anklagepunkten vor Gericht verantworten, darunter wegen Widerstands gegen die Polizei bei seiner Festnahme und der Herstellung von Protestsymbolen.

"Mörderischer Charakter"

Der im polnischen Exil lebende Oppositionspolitiker und ehemalige Präsidentschaftskandidat Andrej Sannikow sprach auf Twitter von einer "Verzweiflungstat" des 41-Jährigen. Latypow sei "lange geschlagen und gefoltert" worden, erklärte er und fügte hinzu: "ein weiterer Beweis für den mörderischen Charakter von Lukaschenkos Regime".

Nach der von massiven Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl im vergangenen August hatte es in Weißrussland beispiellose Massenproteste gegeben, die Lukaschenko niederschlagen ließ. Tausende Demonstranten wurden festgenommen, führende Oppositionelle mussten ins Exil. Nach Angaben von Wjasna sind derzeit 449 politische Gefangene in weißrussland in Haft.

Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.

Das neue österreichische Suizidpräventionsportal 
www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.

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