Weibliche Weltpolitik: Von diesen sechs Frauen werden wir 2021 noch viel hören
Kamala Harris, künftige Vizepräsidentin der USA, ist in aller Munde. Aber abseits davon: 21 von 193 Staaten weltweit haben weibliche Regierungschefs. Doch auch in vielen anderen zentralen Machtpositionen finden sich starke Politikerinnen, Ökonominnen und Expertinnen, von denen die Welt im kommenden Jahr noch viel reden wird. Hier eine rein subjektive Auswahl - sechs Frauen, die die Weltpolitik im kommenden Jahr wohl stark prägen werden.
Janet Yellen: Nach dem Krisenjahr sollen Frauen die US-Wirtschaft retten
Nach vier Jahren Amtszeit Donald Trumps gilt es Zeichen zu setzen – insbesondere in Sachen Feminismus und Frauenrechte. Joe Biden als designierter neuer US-Präsident bemüht sich sehr, mit seinem Regierungsteam die richtigen Botschaften zu verbreiten – begonnen bei Vizepräsidentin Kamala Harris, die den bezeichnenden Satz sagte: Sie sei die erste Frau in dieser Position, aber sicher nicht die letzte.
Doch sie ist auch nicht die einzige Frau, die die US-Politik im kommenden Jahr prägen wird. Denn als Finanzministerin wird Janet Yellen auf die Regierungsbühne treten. Ihr Ressort wird wohl in den kommenden Monaten massiv gefordert sein, wenn es darum geht, den wirtschaftlichen Schaden, den die Coronavirus-Pandemie angerichtet hat, einzudämmen. Yellen bereitete schon in den vergangenen Wochen die Zeit nach der Amtsübernahme am 20. Jänner vor, wo es vor allem um schnelle wirtschaftliche Hilfe für die US-Bevölkerung gehen wird.
Die 74-jährige Wirtschafts- und Finanzexpertin war bis 2018 Präsidentin der US-Notenbank Fed. Dort trat sie insbesondere für eine lockere Geldpolitik ein, um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu fördern.
Auch andere ökonomische Schlüsselpositionen der neuen Regierung hat Biden weiblich besetzt: So wird Neera Tanden künftig die Budgetbehörde OMB im Weißen Haus leiten und Cecilia Rouse den Rat der Wirtschaftsberater.
Nicola Sturgeon: Die Frau, die für Schotten den Brexit rückgängig machen will
2020 war nicht nur das Coronajahr, sondern auch das Jahr des Brexit. Das Vereinigte Königreich hat die Europäische Union mit 31. Jänner verlassen, den EU-Binnenmarkt schließlich mit 31. Dezember. Endgültig. Doch für eine eiserne Kämpferin ist das Thema noch lange nicht vom Tisch. 2021 könnte das Jahr der Nicola Sturgeon werden. Die 50-Jährige ist die erste Frau an der Spitze der schottischen Regierung – und sie hat in dieser Position noch einiges vor. Mit ihrer sezessionistischen, linksliberalen SNP will Sturgeon Schottland unabhängig von Großbritannien machen – und wieder zurück in die EU führen.
Dass ihre Forderung nach einem Unabhängigkeitsreferendum sorgt für Spannungen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson, der eine weitere Abstimmung entschieden ablehnt. Denn schon 2014 haben die Schotten entschieden, bei Großbritannien bleiben zu wollen (55%) – damals war aber vom Brexit noch keine Rede. Laut britischem Recht muss die Regionalregierung in Schottland London um Erlaubnis bitten, um ein Referendum abzuhalten.
Nicola Sturgeon und ihre SNP setzen voll und ganz auf das Thema Unabhängigkeit. Die Schottin hofft, damit die Wahlen im Mai gewinnen zu können. Meinungsumfragen der vergangenen Monate geben ihr Recht: Die Unterstützung der Schotten für die Unabhängigkeit von Großbritannien (und den EU-Beitritt) ist zuletzt auf ein Rekordhoch gestiegen.
Sanna Marin: Links, charismatisch, erfolgreich
Bei ihrer Wahl im Dezember 2019 war Sanna Marin die jüngste Regierungschefin der Welt; kurz danach ging der Titel zurück an den neun Monate jüngeren Sebastian Kurz. Viel gemeinsam haben der ÖVP-Chef und die Vorsitzende der finnischen Sozialdemokraten allerdings nicht. Die 35-jährige Marin wuchs in einer Regenbogenfamilie auf, ihre alleinerziehende Mutter lebte mit einer Frau zusammen. Als Studentin schloss sich Marin der Sozialistischen Jugend an, gleiche Rechte für alle sind ihr größtes Anliegen. Zunächst in der Kommunalpolitik, zog die streitbare Linke 2015 ins Parlament ein. In der Koalition aus fünf Parteien – alle von Frauen geführt – war die Mutter einer Tochter zunächst Verkehrs- und Kommunikationsministerin, ehe sie zur Premierministerin aufstieg. Kurz danach kam Corona.
Marins Talent für Zwischenmenschliches trug dazu bei, dass Finnland gut durch die Krise kam. Von Anfang an setzte sie auf Transparenz, stellte sich im April in einer speziellen Pressekonferenz den Fragen von Kindern. Dass Frauen und Männer nicht nur in der Politik mit zweierlei Maß gemessen werden, zeigte sich im Oktober. Marin war mit tief ausgeschnittenem Blazer in einer Modezeitschrift zu sehen, Kritiker starteten einen Shitstorm. Doch die Solidarität mit der Politikerin war groß. Unterstützer, auch männliche, posteten ähnliche Bilder von sich und erinnerten daran, wie gern sich Russlands Staatschef Putin früher mit nacktem Oberkörper zeigte – und dafür gefeiert wurde.
Swetlana Tichanowskaja: Die Revolutionsikone
Eigentlich ist sie Hausfrau, Mutter, und am liebsten wäre es ihr, wenn ihr Mann aus dem Gefängnis käme – dann könnte sie wieder Schnitzel für ihn und die Kinder panieren, sagt Swetlana Tichanowskaja.
Solche Aussagen stimmen sicher, mittlerweile sind sie aber auch Koketterie. Freilich, geplant hat die 38-Jährige nie, dass sie zum Gesicht der Revolution in Belarus (Weißrussland) wurde: Im Frühling 2020 sprang sie für ihren Mann Sergej ein, der – wie viele andere Gegenkandidaten von Präsident Lukaschenko – inhaftiert wurde. Die im Ausland kritisierte, manipulierte Wahl ging danach zwar zugunsten des Machthabers aus, doch die wahre Siegerin war sie: eine brave Hausfrau ohne politische Erfahrung, die besser wieder Kinder hüten solle, wie Lukaschenko ihr ausrichtete.
Das ist inzwischen völlig nebensächlich. Während Lukaschenko die Proteste in seinem Land gewaltsam niederknüppeln lässt und das Ausland sich abwendet, ist Tichanowskaja genau dort gern gesehener Gast – mal ist sie bei Kanzlerin Merkel, dann wieder im EU-Parlament, wo ihr der prestigeträchtige Sacharow-Preis verliehen wird. In ihre Heimat kann sie nicht, weil es zu gefährlich wäre, darum agiert sie vom Exil in Litauen aus – wie ein alter Polit-Profi.
2021, sagt sie immer, werde für ihre Belarussen das "Jahr der Gerechtigkeit". Ihre Anhänger glauben daran. Und an sie: Nach wie vor gehen wöchentlich Abertausende auf die Straße. Für die Idee der Revolution, deren Ikone sie unverhofft geworden ist.
Kim Yo-jong: Die Hardlinerin auf dem Weg an die Spitze der Diktatur
Kim Yo-jong, die vier Jahre jüngere Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, gilt als dessen Nachfolgerin im Falle seines Todes oder seiner Regierungsunfähigkeit. Im vergangenen Mai war Yo-jong von vielen Medien bereits als wahrscheinliches neues Gesicht an der Spitze des Staates vorgestellt worden, nachdem sich Gerüchte um den Tod ihres 36-jährigen Bruders nach OP-Komplikationen verbreitet hatten. Doch Kim Jong-un lebt – und seine Schwester wird vorerst nicht die erste Diktatorin des Landes.
Doch falls es demnächst notwendig werden sollte, ist sie bereit. Denn tatsächlich dürfte sie in den vergangenen Jahren als Nachfolge in Stellung gebracht worden sein.
Es ist ja oftmals so, dass Frauen in Machtpositionen erst einmal beweisen müssen, hart durchgreifen zu können, weil nicht jeder ihnen das zutraut. Noch bevor Kim Yo-jong überhaupt an der obersten Spitze der nordkoreanischen Diktatur angekommen ist, räumt die 33-Jährige jeglichen Zweifel aus. Zuerst einmal rhetorisch. Nordkoreanische Überläufer nannte sie kürzlich "menschlichen Abschaum, der es nicht wert sei, als menschliches Wesen bezeichnet zu werden", sie seien "nichts als wilde Tiere, die ihr eigenes Heimatland verraten" hätten. Auch in Richtung Seoul sendet die "Kronprinzessin" gerne unversöhnliche, ja geradezu vulgäre Töne, selbst während der Zeit der angeblichen Annäherung.
Kim Yo-jong ist aber auch stellvertretende Leiterin des gefürchteten Organisations- und Leitungsdepartments, einer Agentur, die die Regierung, die Armee und die allein herrschenden Arbeiterpartei überwacht. Sie kann über einzelne Personen Sanktionen veranlassen, die von Versetzung über Exil und Haft bis hin zur Todesstrafe reichen. Ein Vorgeschmack auf ihre Zeit an der Macht?
Christine Lagarde: Oft die einzige Frau unter Männern, plant gerne Frauentreffen
"Ihre Intelligenz, Hartnäckigkeit und ihre ruhige Herangehensweise machen sie zu einer Wegbereiterin für Frauen überall." Das schrieb Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), über Janet Yellen (siehe oben), als sie ihr via Twitter zu ihrer Nominierung als US-Finanzministerin gratulierte. Die beiden Frauen wollen im kommenden Jahr im Paarlauf den "Kampf gegen die weltweiten wirtschaftlichen Herausforderungen" meistern. Christine Lagardes Wort hat Gewicht. Sie gilt für viele als zweitmächtigste Frau der Welt nach der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.
Und mit dem Geld kennt sie sich auch aus: Bevor Lagarde in Frankreich Wirtschafts- und später Finanzministerin wurde, war sie unter anderem als Wirtschaftsanwältin tätig. Nach ihren Ministerämtern wechselte sie nach Washington zum Internationalen Währungsfonds, wo sie 2011 den nach Vergewaltigungsvorwürfen untragbar gewordenen Dominique Strauss-Kahn beerbte. Als erste Frau an der Spitze der Organisation – mitten in der Zeit der Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise.
Die Rolle als erste Frau in Machtpositionen spielt die Mutter zweier Söhne mit Bravour und Stil. Seit einem Jahr ist sie Präsidentin der EZB in Frankfurt – die erste.
Wirtschaftliche Krisen managen, das Thema bestimmte die vergangenen 15 Jahre ihres beruflichen Lebens. Und oft war Lagarde bei Krisengipfeln die einzige Frau unter mächtigen Männern. Doch immer wieder bemüht sie sich um weibliche Stimmen in der Wirtschaft. Bei ihren Auslandsreisen hat sie das Ritual der „Girls Out“ eingeführt. Ein Treffen nur mit Frauen – an denen kein einziger Mann teilnehmen darf. Lagarde findet, dass Frauen untereinander offener sind. So wird auch ihr Paarlauf mit Jane Yellen ein spezieller.
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