USA weisen Diplomaten aus, Putin setzt bereits auf Trump

Wladimir Putin und Barack Obama.
35 russische Diplomaten müssen die USA verlassen. Putin verzichtet vorerst auf Ausweisungen.

Jetzt hat er also Ernst gemacht. Schon länger warf Barack Obama Russland vor, den US-Präsidentschaftswahlkampf gezielt beeinflusst zu haben. Unter anderem soll eine Hackergruppe im Auftrag des russischen Geheimdienstes FSB für einen Angriff auf die Email-Server der Demokratischen Partei verantwortlich gewesen sein. Nun, fast zwei Monate nach der Cyber-Attacke und gerade noch rechtzeitig vor seiner Amtsübergabe an Donald Trump, hat er die Konsequenzen daraus gezogen.

In einer präsidentiellen Anordnung verfügte Barack Obama, dass 35 russische Diplomaten der Botschaft in Washington und des Konsulats in San Francisco das Land binnen 72 Stunden verlassen müssen. Sie hätten mit ihrem Handeln gegen ihren diplomatischen Status verstoßen. Was genau das US-Außenministerium ihnen vorwirft, blieb zunächst unklar. Obama bezeichnete sie als Geheimdienstmitarbeiter.

Putin: "Weisen niemanden aus"

Hatte es zunächst noch geheißen, dass Russland im Gegenzug ebenfalls 35 US-Diplomaten ausweist, so sieht es nun nicht mehr danach aus. Der russische Präsident Wladimir Putin verzichtet vorerst auf eine Ausweisung von US-Diplomaten als Reaktion auf die neuen US-Sanktionen wegen mutmaßlicher Hackerangriffe. „Wir werden niemanden ausweisen“, teilte Putin am Freitag in Moskau mit.

In seiner Stellungnahme machte Putin klar, dass er für die Gestaltung des Verhältnisses zu den USA nur noch die Russland-Politik des künftigen US-Präsidenten Donald Trump für maßgeblich erachte, der am 20. Jänner sein Amt antritt.

Zwar behalte sich Russland das "Recht auf Vergeltungsmaßnahmen" für die Ausweisung von 35 Russen durch US-Präsident Barack Obama vor, hieß es in Putins Erklärung. "Unsere nächsten Schritte bei der Wiederherstellung der US-russischen Beziehungen werden wir auf Grundlage der Politik der Regierung von Präsident Donald Trump planen", hieß es in der Erklärung weiter.

Zuvor hatte sein Außenminister Sergej Lawrow im russischen Fernsehen gesagt, dass 35 US-Diplomaten ausgewiesen werden sollten.

Jedenfalls gab es heftige Kritik aus Russland an den amerikanischen Maßnahmen. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew hat die Regierung des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama kritisiert. "Es ist bedauerlich, dass die Obama-Regierung, die mit einer Wiederherstellung unserer Beziehungen begann, ihre Amtszeit in anti-russischer Agonie beendet", schrieb Medwedew am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter.

Er fügte die Buchstaben RIP für "Rest In Peace" (Ruhe in Frieden) hinzu.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hat die scheidende US-Regierung wegen der Sanktionen in der Hacker-Affäre mit ungewöhnlich heftigen Worten kritisiert. Über die Regierung von Präsident Barack Obama schrieb sie in der Nacht auf Freitag auf ihrer privaten Facebook-Seite: "Das ist keine Regierung. Das ist eine Gruppe außenpolitischer Versager, böse und beschränkt."

Für Freitag kündigte Sacharowa seitens der russischen Politik "offizielle Mitteilungen, Gegenmaßnahmen und vieles mehr" an. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat Vergeltungsschritte angedroht. Wegen des mutmaßlichen Eingreifens Russlands in den US-Wahlkampf mit Hacker-Angriffen hatte Obama am Donnerstag 35 russische Diplomaten ausgewiesen und Sanktionen gegen mehrere russische Behörden und Unternehmen verhängt.

Sacharowa, Sprecherin von Außenminister Sergej Lawrow, schrieb, nach acht Jahren ohne außenpolitische Leistungen schaffe es der Friedensnobelpreisträger Obama nicht einmal, seine Amtszeit mit einem eleganten Punkt zu beenden, sondern nur "mit einem fetten Klecks".

Trump will sich informieren lassen

Der designierte Präsident Trump hat mittlerweile angekündigt, er werde sich in der kommenden Woche "im Interesse unseres Landes" mit Vertretern der US-Geheimdienste treffen. Dann werde er sich über die "Fakten" im Fall des möglichen Hackerangriffs aufklären lassen. Lawrow bezeichnete den Vorwurf erneut als haltlos, dass sich Russland mit Hacker-Angriffen in den US-Präsidentenwahlkampf eingemischt habe.

Wie im Kalten Krieg

Alle US-Bürger sollten wegen der Aktivitäten Russlands alarmiert sein, sagte Obama. Die Sanktionen und Ausweisungen seien die Antwort auf Russlands "Versuche, den Interessen der USA zu schaden". Die Schritte seien zudem nur ein Teil der Antwort auf "Russlands aggressive Aktivitäten". Es werde eine Vielzahl weiterer Gegenmaßnahmen gegen den russischen Inlandsgeheimdienst FSB und den Militärgeheimdienst GRU geben. Nicht alle würden publik gemacht. Die Regierung in Moskau sei wiederholt "privat und öffentlich" gewarnt worden. Indirekt hatte Obama zuletzt auch Präsident Putin vorgeworfen, zumindest von den Cyberattacken gewusst zu haben.

Man weise diese "unbegründeten Behauptungen und Vorwürfe kategorisch" zurück, erklärte auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die Obama-Regierung wolle damit nur vom eigenen Versagen ablenken. Und: Man werde "angemessene Vergeltungsmaßnahmen" ergreifen. Die russische Botschaft in London warf den USA gar Methoden aus der Zeit des Kalten Krieges vor.

In derartigen Fällen ist es meist üblich, eine gleiche Anzahl von Diplomaten aus dem anderen Land auszuweisen. CNN berichtete zudem unter Berufung auf einen US-Regierungsbeamten, russische Behörden hätten als erste Gegenmaßnahme die Schließung einer unter anderem von der US-Botschaft betriebenen Schule in Moskau angekündigt. Peskow warf Obama vor, sich "wie ein Elefant im Porzellanladen" zu verhalten. Er gehe aber davon aus, dass die künftige Trump-Regierung die "ungeschickten" Maßnahmen Obamas rückgängig machen werde.

Gegen den Willen Trumps

Allzu lange dürften die Sanktionen, von denen auch Igor Korobow - der Direktor des russischen Militärgeheimdienstes GRU - betroffen ist, ohnehin nicht aufrecht sein. Trump ist Putin deutlich freundlicher gesonnen als Obama, der mit dem russischen Präsidenten auch in der Krim-Krise und im Syrien-Krieg über Kreuz ist.

Der künftige Präsident der USA hat sich zuletzt wiederholt gegen die Vergeltungsmaßnahmen für die mutmaßlich russischen Hackerangriffe ausgesprochen, auch bei einem Treffen mit Barack Obama am Mittwoch. Man sollte die Sache auf sich beruhen lassen, sagte dort Trump vor Journalisten. Bereits ab dem 20. Jänner könnte er seinen Worten Taten folgen lassen. Dann wird der 70-Jährige die Amtsgeschäfte von Obama übernehmen - und könnte die präsidentielle Anordnung seines Vorgänger rasch aufheben.

Es ist nicht das erste Mal, dass Obama gegen seinen Nachfolger quer schießt. So bediente er sich eines seit Jahrzehnten ungenützten Gesetzes, das es dem nachfolgenden Präsidenten unmöglich macht eine Änderung vorzunehmen, um große Teile der Arktis und andere US-Küstenregionen für Ölbohrungen zu sperren. Trump hat sich ja wiederholt für eine verstärkte Öl-Förderung ausgesprochen und zuletzt den erklärten Klimawandel-Skeptiker Scott Pruitt zum Leiter der mächtigen US-Umweltschutzbehörde erkoren.

USA weisen Diplomaten aus, Putin setzt bereits auf Trump
(FILES) This file photo taken on November 10, 2016 shows US President Barack Obama meeting with President-elect Donald Trump in the Oval Office at the White House in Washington, DC. US President-elect Donald Trump on December 28, 2016 accused Barack Obama of making "inflammatory" statements and complicating the impending transfer of power -- the latest salvo in an escalating war of words with the current commander-in-chief. The unorthodox personal and public criticism of a sitting president comes less than a month before the 70-year-old Trump -- who defeated Obama's preferred successor Hillary Clinton in November's presidential election -- takes office. / AFP PHOTO / JIM WATSON

Unsanfte Amtsübergabe

Dabei gilt bei Amtsübergaben im Weißen Haus traditionell die Regel, dass sich das gewählte Staatsoberhaupt mit Eingriffen in die Politik bis zu seiner Angelobung zurückhält - der Amtsinhaber seinem Nachfolger dafür aber umgekehrt auch keine Knüppel vor die Füße wirft.

Bei Trump und Obama dagegen lief es vom Wahltag an - und eigentlich schon lange davor - schief, trotz eines demonstrativen Höflichkeitsbesuches Trumps im Weißen Haus gleich am Tag nach seinem Wahlsieg. Trump brachte sich gleich einmal mit Grobheiten in die US-Außenpolitik ein, verärgerte er China, indem er mit der Präsidentin Taiwans telefonierte.

Die bis Donnerstag jüngste Episode in der Chronologie einer holprigen Amtsübergabe: Der UN-Sicherheitsrat verurteilte in einer Resolution vor wenigen Tagen erstmals die Siedlungspolitik Israels in den Palästinensergebieten. Ein Novum in der US-Außenpolitik, das vor allem auf Bestreben der Obama-Administration forciert worden sein soll. In Jerusalem ist man empört und setzt unverhohlen auf Trump, der einen betont Israel-freundlichen Kurs fahren will. Russland wird es wohl ähnlich sehen.

Unter dem Namen "Sofacy/APT28" wird in westlichen IT-Sicherheitskreisen eine Hacker-Gruppe geführt, bei der eine Verbindung zu russischen Regierungsstellen vermutet wird. Das US-Sicherheitsunternehmen Fireeye sieht in "APT28" eine "kriminelle russische Organisation".

Experten mutmaßen das Kollektiv hinter den Hackerangriffe ihm Zuge der US-Präsidentschaftswahl 2016. Die Abkürzung APT steht für Advanced Persistent Threat (etwa: fortgeschrittene andauernde Bedrohung). Der zweite Name für das "APT28" - "Sofacy" - geht auf die Bezeichnung für eines der Angriffsprogramme der Gruppe zurück. "APT28" ist im Web auch unter den Namen "Fancy Bear" oder "Operation Pawn Storm" bekannt.

Der IT-Sicherheitsfirma Crowdstrike zufolge soll das Kollektiv im Auftrag des russischen Geheimdienstes FSB handeln und für Hackerangriffe im Vorfeld der US-Wahl auf die Computersysteme der US-Demokraten verantwortlich sein - Stichwort: Wikileaks-Veröffentlichung von privaten E-Mails der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.

Crowdstrike nennt in seinem Bericht neben APT28 auch APT29. Diese Gruppe soll vom russischen Militärnachrichtendienstes GRU beauftragt sein. Der Bericht des IT-Unternehmens mit Hauptsitz im US-Staat Kalifornien wurde in der Zwischenzeit von zwei weiteren Sicherheitsfirmen bestätigt. Nicht genügend schlüssige Beweise gibt es einigen Experten zufolge hingegen für einen russischen Ursprung der Attacke auf den deutschen Bundestag im Sommer, weil die von "APT28" eingesetzte Software im Internet verfügbar sei.

Deutsche Sicherheitsbehörden gehen allerdings ebenfalls davon aus, dass russische Hacker mit staatlichem Hintergrund Urheber der Attacken sind. Dem Hackerkollektiv werden auch Angriffen gegen die NATO sowie Regierungsstellen und Journalisten in Osteuropa und im Kaukasus zugeschrieben, wenngleich auch hier die Beweise nicht eindeutig sind.

Allerdings entsprechen die Zeitstempel in der Schadsoftware, die dabei eingesetzt wurde, den üblichen Arbeitszeiten im europäischen Teil Russlands. Außerdem gibt es Belege dafür, dass die Autoren Russisch sprechen.

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