Queen ernennt Boris Johnson zum neuen Premierminister
Der Brexit-Hardliner Boris Johnson wurde am Mittwoch offiziell von Königin Elizabeth II. zum neuen Regierungschef Großbritanniens ernannt. Unmittelbar zuvor hatte Theresa May ihren Rücktritt bei der Queen eingereicht. Königin Elizabeth II. nahm das Gesuch Mays am Nachmittag im Buckingham-Palast in London entgegen. Zuvor hatte sich die 62-jährige, konservative Politikerin in einer kurzen Rede in der Downing Street von den Briten verabschiedet. Dabei dankte sie besonders ihrem Ehemann Philip, der ihr stets zur Seite gestanden sei.
Zuvor hatte May, als sie zum letzten Mal ihren Amtssitz in der Downing Street verließ, gesagt, sie habe versucht, einen für das gesamte Vereinigte Königreich funktionierenden Brexit zu erreichen. Dies sei nun die drängendste Aufgabe, die vor ihrem Nachfolger Boris Johnson liege. Sie wünsche ihm und seiner künftigen Regierung für die kommenden Monate und Jahre viel Glück. May erntete von den in der Brexit-Frage zerstrittenen Abgeordneten der Konservativen Partei bei ihrem letzten Auftritt Jubel, bevor sie sich zur Königin begab, um ihren Rücktritt einzureichen.
Drei Rücktritte wegen Boris Johnson
Der Tag stand aber auch im Zeichen dreier Ministerrücktritte. So hat der britische Finanzminister Philip Hammond am Nachmittag seinen Rücktritt erklärt. Der konservative Politiker legte seine Entscheidung kurz vor der offiziellen Amtsübernahme des Brexit-Hardliners Boris Johnson als Premierminister in einem Brief an May dar.
Bereits vergangenem Freitag hatte Hammond erklärt, er könne Johnsons Ankündigung, Großbritannien notfalls auch ohne Austrittsvertrag bis zum 31. Oktober aus der EU zu führen, niemals unterstützen.
Neben Hammond sind auch Justizminister David Gauke und Entwicklungshilfeminister Rory Stewart zurückgetreten. Alle drei EU-freundlichen Tory-Politiker hatten diesen Schritt bereits in den vergangenen Tagen angekündigt, falls Johnson Premierminister werden sollte.
Der umstrittene neue Tory-Chef löst am Mittwochnachmittag May in ihrem Amt ab. Königin Elizabeth II. wird den Brexit-Hardliner dazu im Buckingham-Palast empfangen. Anschließend will Johnson vor dem Regierungssitz in der Downing Street eine Rede halten.
May hat drei Jahre lang das Land regiert. Nachdem sie drei Mal mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Abkommen im heillos zerstrittenen Parlament krachend durchgefallen war, gab sie schließlich auf. Fraglich ist aber, wie lange ihr Nachfolger durchhält. Auch er kann nur mit einer hauchdünnen Mehrheit regieren.
Kabinettsumbildung geplant
Johnson plant britischen Medien zufolge eine weitreichende Kabinettsumbildung, um seine Pläne für den EU-Austritt durchzusetzen. Er will die Posten vor allem an Brexit-Hardliner verteilen und nur zu einem Drittel an EU-freundliche Politiker. Zum "Kabinett des modernen Großbritanniens" werden den Berichten zufolge auch mehr Frauen und Politiker ethnischer Minderheiten zählen als bisher.
Es wird erwartet, dass Johnson die Namen zumindest einiger der neuen Kabinettsmitglieder noch Mittwoch verkündet. Mehrere EU-freundliche Minister und Staatssekretäre sind bereits zurückgetreten.
Johnson will Brexit-Drahtzieher holen
Dafür will Johnson den Drahtzieher der Brexit-Kampagne, Dominic Cummings, als Berater in sein Team berufen. Offiziell stand Johnson 2016 an der Spitze der Unterstützungskampagne für den Brexit, "Vote Leave". Hinter den Kulissen spielte Cummings aber eine entscheidende Rolle. Dies wurde auch in dem TV-Thriller "Brexit: The Uncivil War" Anfang des Jahres deutlich, in dem Cummings von dem Filmstar Benedict Cumberbatch verkörpert wurde.
Die Wahlkommission verhängte im Juli 2018 gegen die Kampagne eine Geldstrafe, weil sie die zulässige Ausgaben-Höchstgrenze überschritten hatte. Außerdem wurden Ausgaben des kanadischen IT-Unternehmens Aggregate IQ in Höhe von umgerechnet 747.000 Euro falsch verbucht.
Nach einem Bericht der "Times" wird Ex-Entwicklungsministerin Priti Patel eine Schlüsselposition in der Regierung übernehmen: Sie soll Innenministerin werden. Patel war im November 2017 zurückgetreten, nachdem bekannt wurde, dass sie sich ohne Absprache im Israel-Urlaub mit Ministerpräsident Benjamin Netanyahu getroffen hatte. Die 47-Jährige ist eine große Brexit-Anhängerin und zählt zum rechten Tory-Flügel. Sie kommt aus einer Familie indischstämmiger Ugander, die in den 1960er Jahren nach Großbritannien einwanderten.
Johnson will Großbritannien am 31. Oktober aus der Europäischen Union herausführen - und scheut auch vor einem No Deal nicht zurück. Er kritisiert das zwischen May und der EU ausgehandelte Abkommen als "Instrument der Einkerkerung" Großbritanniens in Zollunion und Binnenmarkt. Er pocht daher darauf, mit Brüssel neu zu verhandeln - was dort strikt abgelehnt wird. Nur Änderungen an der begleitenden politischen Erklärung seien möglich, hieß es auch nach Johnsons Wahl.
Der Brexit ist aber nicht die einzige Großbaustelle, um die sich Johnson kümmern muss. Er tritt sein Amt mitten in einer Krise mit dem Iran an. Nach mehreren Vorfällen in der Straße von Hormuz setzte Teheran dort zuletzt einen britischen Öltanker fest - aus Sicht Londons eine "feindliche Handlung". Großbritannien regte eine europäische Seeschutzmission an, um Schiffe in der Meerenge zu schützen. Große Mengen Öl werden durch dieses Nadelöhr verschifft.
Die Mitglieder der Konservativen Partei hatten Johnson am Dienstag zu ihrem Chef und damit auch zum künftigen Premier gewählt. Am Freitag beginnt die Sommerpause des Parlaments - bis zum 3. September. Viel Zeit bis zum geplanten EU-Austritt Ende Oktober bleibt Johnson nicht.
Analysten: Risiko für Hard Brexit bei 40 Prozent
Mit dem Brexit-Hardliner Johnson als neuem britischen Premierminister ist ein "No-Deal-Brexit", also ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU, wohl wahrscheinlicher geworden. Für die österreichische Wirtschaft erwarten Ökonomen auch im Falle eines solchen "Hard Brexit" jedoch weniger dramatische Auswirkungen verglichen mit anderen EU-Ländern.
"Mit Boris Johnson ist der No-Deal Brexit zur wahrscheinlichen Variante aufgestiegen", so RBI-Chefökonom Peter Brezinschek am Mittwoch auf APA-Anfrage. Ein ungeregelter Austritt würde Großbritannien wirtschaftlich jedoch schlimmer treffen als die EU, "die Hoffnung ist, dass ihm (Boris Johnson, Anm.) die Risiken bewusst werden und er nicht in Kauf nimmt, dass es zu einem schweren wirtschaftlichen Einbruch in Großbritannien kommt". Auch das Szenario, dass neue Verhandlungen stattfinden, hält Brezinschek für wahrscheinlich: "Ich glaube, dass es dann einen Deal mit Abstrichen auf beiden Seiten geben wird". Unter den aktuellen Bedingungen sei der "No-Deal" jedoch zu eine "Basisvariante" geworden, mit der kalkuliert werden müsse.
"Das Risiko für einen Hard Brexit liegt bei 40 Prozent" erklärt auch Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer im Gespräch mit der APA am Mittwoch. Die wahrscheinlichste Variante sei jedoch mit 50 Prozent ein erneuter Aufschub des Austritts und eine Einigung auf einen geregelten Brexit, "die verbleibende Zeit bis zum 31. Oktober ist zu kurz um Lösungen zu finden". Den Verbleib der Briten in der EU hält Bruckbauer mit 10 Prozent für relativ unwahrscheinlich.
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