Friedensplan für die Ukraine: Meinen die Chinesen das ernst?

Westliche Diplomaten blieben skeptisch. Nimmt China ein Jahr nach Kriegsbeginn tatsächlich die Rolle des Friedensvermittlers ein, wie es der Spitzendiplomat Wang Yi am Montag auf der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt hatte? Am Freitag gab die Regierung in Peking die Antwort in Form eines Zwölf-Punkte-Plans für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine.
In dem Dokument, das offiziell „Chinas Position zur politischen Beilegung des Ukraine-Konflikts“ heißt, findet sich eine Vielzahl von Forderungen, von denen bei weitem nicht alle russischen Interessen dienen. Ist er also ein ernst gemeinter Versuch Pekings, Frieden in der Ukraine zu stiften? Oder steckt geopolitisches Kalkül dahinter? Der KURIER fragte bei zwei Fachleuten nach.
"China ist nicht neutral"
Roderick Kefferpütz, Analyst beim Mercator Institut für China-Studien (MERICS) in Berlin, sieht es zwar grundsätzlich als positive Entwicklung, dass China sich nach außen hin um Frieden bemüht, ist aber "skeptisch, wie seriös dieser Friedensvorschlag gemeint ist".
"China ist nicht neutral, auch wenn die Staatsführung das seit Kriegsbeginn vehement behauptet", so der Experte. Die Wortwahl chinesischer Diplomaten sei "russisch", so wird auch in dem Papier nicht von einem "Krieg" oder einer "Invasion" gesprochen, sondern lediglich vom "Ukraine-Konflikt".
Auch der Besuch des chinesischen Spitzendiplomaten Wang Yi in Moskau, bei dem er am Mittwoch unter anderem auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin traf, stimmt Kefferpütz wenig zuversichtlich: "Wenn ich die Bilder aus dem Kreml sehe, und Wang anschließend sagt, China stehe 'felsenfest' an der Seite Russlands, dann sieht das für mich nicht aus, als würde man der russischen Führung Druck machen."

Chinas außenpolitischer Chefideologe Wang Yi (l.) traf sich am Mittwoch in Moskau mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
Die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik sieht das anders. Aus ihrer Sicht zeigt das Papier, "dass China ab jetzt eine aktivere Rolle in dem Konflikt einnehmen wird, vor allem bei dem Prozess, einen Waffenstillstand zu erreichen".
Der Zwölf-Punkte-Plan rücke ihrer Meinung nach stärker als bisher die Interessen der Ukraine in den Vordergrund. So wird etwa die humanitäre Situation im Kriegsgebiet ebenso hervorgehoben wie die Notwendigkeit des Wiederaufbaus.
Vor allem Letzterer dient in erster Linie den Interessen der Volksrepublik. "China steht bereit, Hilfe beim Wiederaufbau zu leisten und bei den Bemühungen dafür eine konstruktive Rolle einzunehmen", heißt es wörtlich im letzten Punkt des Plans. Davon verspreche man sich ebenso wirtschaftliche Vorteile wie von weiteren Weizen-Exporten aus der Ukraine, meint Weigelin-Schwiedrzik. Auch diese sind eine zentrale Bedingung des Papiers.
Aus ihrer Sicht habe Wang Yi also bei seinem Besuch in Moskau "symbolisch die Freundschaft zu Russland noch einmal hervorgehoben, gleichzeitig hatte er aber ein Papier im Ärmel, das für die russische Führung nicht nur erfreulich ist", so Weigelin-Schwiedrzik.
China und Russland nicht in jedem Punkt einig
China sei jederzeit bereit, "die Russen in ihrer anti-amerikanischen Haltung zugunsten einer neuen Weltordnung zu unterstützen", so die Sinologin. "Dafür erwartet man sich aber offenbar als Gegenleistung, dass Russland dabei kooperiert, ein schnellstmögliches Ende für den Krieg mit der Ukraine zu finden."
Doch es gebe in dem Plan auch Punkte, die Russland in die Karten spielen würden. So fordert China darin ein Ende der "einseitigen" Sanktionen gegenüber Russland. "Wenn es die westlichen Sanktionen in der Form nicht mehr gäbe, dann könnte China Russland in ganz anderer Form unterstützen", sagt die Sinologin.

Beide eint die Ablehnung einer von den USA dominierten Weltordnung, doch auf dem Weg dorthin verfolgen sie nicht immer dieselben Ziele: Die Präsidenten Wladimir Putin (Russland, l.) und Xi Jinping (China).
Mit Blick auf die eigene angeschlagene Wirtschaft könne es sich die Führung in Peking aktuell nicht leisten, selbst zum Ziel von westlichen Sanktionen zu werden, wenn man etwa Waffen an Russland liefern würde: "Das würden sie nicht aushalten."
Letzten Endes beinhaltet der Vorschlag aus China aber lediglich einen Waffenstillstand, er ist kein endgültiger Friedensvertrag. Doch in erster Linie ist er ein politisches Signal, darin sind sich beide Experten einig: "Ich sehe das vor allem als Signal an die Länder des globalen Südens", meint Kefferpütz.
Auch Weigelin-Schwiedrzik meint, sei schon länger Chinas Ziel, sich als Sprecher der aufstrebenden Entwicklungsländer zu profilieren. Sollte der chinesische Plan von ukrainischer Seite nicht angenommen werden, so Kefferpütz, "wird man in Peking den Westen dafür verantwortlich machen".
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