Vieles belässt Franziskus im Vagen, Ungefähren. Manche – Anhänger wie Gegner – sehen darin eine geniale Strategie, der eigenen (Reform-)Agenda behutsam und sanft, oft „über die Bande“, zum Durchbruch zu verhelfen. Andere – auch hier Kritiker wie Sympathisanten – können eine solche Agenda nicht erkennen, werfen ihm vielmehr mangelnde Entschlossenheit oder gar Führungskraft vor.
Auch wenn es banal klingt: Viel spricht dafür, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt. Sicher ist, dass der Pontifex erkannt hat, dass sich die katholische Kirche nicht im Überkommenen erschöpfen darf, will sie nicht erstarren. Die Sorge um den Verlust an Glaubwürdigkeit und Strahlkraft seiner Kirche treibt ihn sichtlich um. Dass er wüsste, wie das gelingen soll, danach sieht es in der Tat nicht aus. Aber der Papst lässt da und dort Testballons steigen – und hofft, so darf man unterstellen, dass die Dinge ihre Eigendynamik entwickeln, sich die Spreu vom Weizen scheiden werde.
In der Frage des Zölibats dürfte es sich genauso verhalten: Der von der Amazonien-Synode vorgeschlagenen Regelung, in Ausnahmefällen verheiratete Ständige Diakone in der Region zu Priestern zu weihen, muss erst der Papst in seinem nachsynodalen Schreiben Geltung verschaffen. Man kann aber davon ausgehen, dass er das tun wird. Damit wäre freilich eine Tür (wenn auch nur einen ganz kleinen Spalt weit) geöffnet, die sich nicht leicht mehr schließen lassen wird.
Das Wesen des Zölibats
Gefährdet das die Kirche in ihrer Substanz? Richtig ist, dass die besondere Lebensform des Klerus das Bild von der Kirche über Jahrhunderte ganz wesentlich geprägt hat. Dass der Gedanke einer besonderen Verfügbarkeit für die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat, der sich in der zölibatären Lebensform ausdrückt, für die Kirche unaufgebbar ist; auch dass nach katholischem Verständnis ein Priester kein „bürgerlicher“ Beruf sein kann.
Aber ebenso richtig ist, dass schon jetzt verheiratete Ständige Diakone einen Anknüpfungspunkt für Änderungen bieten. Noch stärker wiegt, dass es auch jetzt schon verheiratete Priester unter dem Dach der katholischen Kirche gibt – bei den mit Rom unierten Ostkirchen und ebenso im Falle konvertierter Geistlicher anderer Kirchen.
Der deutsche Theologe Johann B. Metz etwa hat schon vor mehr als vierzig Jahren dafür plädiert, den Zölibat als spezifisches Charisma der Ordensleute hochzuhalten, aber nicht als verpflichtend für das Priesteramt vorzuschreiben. Auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) hat festgehalten, dass der Zölibat „nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert“, freilich „in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen“ ist.
Glaubenskrise
An einer vorsichtigen Lockerung in dieser Frage wird wohl dennoch kein Weg vorbeiführen, wie auch in der – noch ungleich schwierigeren – Frauenfrage, wo sich die Synode überhaupt nur auf ein weiteres Forschen und Diskutieren verständigt hat.
Klar muss freilich auch sein, dass eine noch so entschlossene Umsetzung der seit Jahrzehnten diskutierten Reformagenda weder die Kirchen und schon gar nicht die Priesterausbildungsstätten wieder füllen würde. Die Krise der katholischen Kirche geht tiefer und ist vor allem anderen auch eine Glaubenskrise.
Bischofssynode: Ein großer Kongress
Von 6. bis 27. Oktober tagte in Rom eine Bischofssynode zum Thema „Amazonien: neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“. Bischofssynoden sind vom Papst einberufene Zusammenkünfte von ausgewählten Bischöfen zu bestimmten Themen und/oder Weltgegenden. Solche Versammlungen fanden zuletzt zu den Themen Familie (2015) und Jugend (2018) statt. Im aktuellen Fall berieten 185 Mitglieder, großteils Bischöfe, sowie knapp 100 Ordensleute, Experten und Gäste über pastorale Herausforderungen im Amazonasgebiet. Das Schlussdokument hat nur empfehlenden Charakter.
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