Wardrobe Gate: Wie Englands First Lady ins Rampenlicht kam
Dieses Politikdrama entfaltete sich an ungewöhnlicher Stelle: Bei der Modeschau der englischen Designerin Edeline Lee, am vierten Tag der Londoner Fashion Show, richtete sich die Aufmerksamkeit zunächst weniger auf den Catwalk, als auf das Publikum. In der ersten Reihe saß die neue First Lady, Victoria Starmer, in fließendem Polkadot-Kleid. So weit, so – theoretisch – ungewöhnlich.
Victoria Starmer, frühere Anwältin und derzeitige NHS-Sozialarbeiterin, ist eine zurückhaltende First Lady.
Sie schätzt ihre Privatsphäre und möchte ihr Leben auch nach dem Wahlsieg ihres Mannes so weiterführen wie zuvor. Interviews gibt sie keine, und am Tag nach der Wahl war sie nicht in der Downing Street Nr. 10, sondern beim Pferderennen.
Politische Mode
Diese Woche gab sie nun ihr Debüt als Stargast der Modewoche – stilecht mit Sonnenbrille und lässig überschlagenen Beinen. Doch das Foto landete nicht in den Modezeitschriften, sondern in den Politikressorts des Landes. Dabei ging es nicht darum, dass Polkadots wieder in Mode sind, sondern um die Tatsache, dass sie ihr Outfit nicht selbst bezahlt hatte.
Es handelte sich um eine Leihgabe der Designerin – und der Zeitpunkt hätte kaum ungünstiger sein können.
Nur tags zuvor hatte die Sunday Times aufgedeckt, dass Keir Starmer möglicherweise gegen parlamentarische Regeln verstoßen hat. Er soll es versäumt haben, Spenden eines Labour-Unterstützers für seine Frau zu deklarieren.
Konkret hat Lord Waheed Alli, der ehemalige Vorsitzende des Online-Modehändlers Asos mit einem Vermögen von mehr als 230 Millionen Euro, für Victoria Starmer einen persönlichen Einkäufer, Kleidung und Änderungen im Wert rund 6.000 Euro finanziert.
Späte Erklärungen
Britische Abgeordnete sind verpflichtet, Geschenke und Spenden innerhalb von 28 Tagen zu melden. Keir Starmer soll aber erst vergangene Woche die parlamentarischen Behörden kontaktiert haben, um nachträglich eine Erklärung abzugeben. Er habe neue Ratschläge erhalten, erklärte er, welche Punkte offengelegt werden müssten.
Das akzeptiert die Opposition nicht. Die Torys fordern eine Untersuchung der Spenden. Vergangenes Monat wurde Waheed Alli nämlich vorübergehend auch ein Sicherheitspass für die Downing Street ausgestellt, ohne dass er eine Regierungsfunktion bekleidet.
Starmer versichert, dass alles ordnungsgemäß deklariert wurde, dass sein Team proaktiv auf die zusätzlichen Erklärungen hingewiesen habe; Transparenz sei ihm wichtig.
Außenminister David Lammy verteidigte den Premier in der BBC: „Die Wahrheit ist, dass aufeinanderfolgende Premierminister, wenn sie nicht gerade Milliardär sind wie der letzte, auf politische Spenden angewiesen sind, damit sie sich von ihrer besten Seite zeigen können.“
Auch die frühere First Lady Cherie Blair, so berichtet der Tatler, habe sich einst über die Kosten für die Kleidung beschwert, die sie für Touren und Treffen mit Staatsoberhäuptern kaufen sollte. Die Rechnung hat sie trotzdem bezahlt. Carrie Johnson wurde hingegen durch ihr Leihmode berühmt und trug bei der Beerdigung der Queen ein Kleid, das 10 Euro pro Tag kostete.
"Abgehobener" Labour-Chef
Die Tory-Opposition hält es jedenfalls für „absurd“ zu behaupten, dass Almosen die einzige Möglichkeit für einen Premierminister und seine Partnerin seien, sich Kleidung zu leisten.
Das „Wardrobe Gate“, wie es die Daily Mail betitelte, wird aber auch deshalb zum Stolperschein, weil Keir Starmer unlängst den Heizkostenzuschuss für Pensionsten abgeschafft hat.
Rund 9.4 Millionen Pensionisten müssen auf 300 Euro im Monat verzichten. Hundertausende könnte das vor die Wahl stellen, diesen Winter zu heizen oder zu essen.
Der Labour-Premier, der einst Boris Johnson nach dem Prinzip „Eine Regel für ihn, eine Regel für uns anderen“ zu leben, sieht sich nun selbst mit den Vorwürfen konfrontiert, „abgehoben“ zu sein und „keinen Bezug zum Volk“ zu haben.
Victoria Starmer hat sich unterdessen für den Rückzug entschieden. Am abendlichen Empfang zur Fashion Week in der Downing Street nahm sie kurzfristig nicht teil.
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