Im britischen Budget klafft ein 26-Milliarden-Euro-Loch: Wie kann das sein?

Im britischen Budget klafft ein 26-Milliarden-Euro-Loch: Wie kann das sein?
Die neue Finanzministerin Reeves sucht fehlende Milliarden, ihr Vorgänger wirft ihr vor, "Blödsinn" zu reden. Wieso Zank um die Finanzen beim britischen Machtwechsel Tradition hat.

Die Briten hatten der Finanzrede der neuen Finanzministerin bereits mit Bauchweh entgegengeblickt. Doch die Ergebnisse überraschten dennoch. 

„Wir haben“, sagte Rachel Reeves am Montag im britischen Unterhaus, ihre Lippe zitterte leicht. Vielleicht vor Frustration, vielleicht vor Adrenalin. Dann blickte sie ihren Vorgänger Jeremy Hunt scharf an: „Wir haben ein 22-Milliarden-Pfund großes Loch geerbt.“ 

Dieses Loch, umgerechnet 26 Milliaden Euro, sei entstanden, weil die vormalige Tory-Regierung kein Geld für die Bearbeitungskosten von Asylanträgen oder illegale Einwanderung bereitgestellt und ungedeckte Gelder für das NHS, die Ukraine-Krise oder die Infrastruktur ausgegeben hatten. 

Im britischen Budget klafft ein 26-Milliarden-Euro-Loch: Wie kann das sein?

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Doch ein Blick in Reeves Aufschlüsselung zeigt auch, dass die Schuld ein Teil des Lochs nicht der ehemaligen Regierung unter Rishi Sunak zufällt. Knapp die Hälfte – 11 Milliarden Euro – stammt aus der überinflationären Anhebung der Gehälter im öffentlichen Sektor. Damit will die neue Regierung Versäumnisse der letzten Jahre nachholen und langjährige Streiks beilegen. 

Also, erwiderte Ex-Finanzminster Jeremy Hunt, sei das Loch ja durch ihre politischen Entscheidungen entstanden. Reeves' Anschuldigungen seien „absoluter Blödsin“ und ein „schamloser Versuch“, damit eine spätere Steuererhöhung zu rechtfertigen. 

Reeves nannte ihn daraufhin im britischen Fernsehen einen Lügner - im britischen Unterhaus darf sie das nicht.

Im britischen Budget klafft ein 26-Milliarden-Euro-Loch: Wie kann das sein?

Hickhack zum Machtwechsel

Es hat fast schon Tradition, sich gegenseitig am Beginn eines Machtwechsels von Labour zu den Tories die Schuld für Löcher im Budget zuzuweisen. Im Oktober 2010 hatte der konservative Schatzkanzler George Osborne der Nation erklärt, sie stehe aufgrund der Fehlkalkulation der vorherigen Labour-Regierung „am Rande des Bankrotts“. Vier Tage später stellte er seinen Rettungsplan vor: 94 Milliarden Euro an staatlichen Kürzungen.

Im britischen Budget klafft ein 26-Milliarden-Euro-Loch: Wie kann das sein?

Labour-Abgeordnete warfen Osbourne daraufhin vor, er hätte die Öffentlichkeit in die Irre geführt, um die Kürzungen zu rechtzufertigen. Doch das ging nicht auf - was vor allem an einer Notiz von Ex-Finanz-Chefsekretär Liam Byrne lag.  

Ein Satz für die Geschichte 

Der hatte seinem Nachfolger David Laws einen Brief auf dessen Schreibtisch  zurückgelassen. Darin stand ein Satz: „Sehr geehrter Herr Chefsekretär, ich muss Ihnen leider sagen, dass kein Geld mehr da ist.“

Der Brief, räumte Byrne später im Guardian ein, sei nicht nur dumm gewesen, er war verletzend: „Ich schätze, ich wollte ihm an seinem ersten Tag in einem der schwierigsten Jobs der Regierung ein freundliches Wort anbieten und eine alte Tradition ehren.“

Denn Byrne war nicht der erste. 1964 hat der scheidende Tory-Kanzler Reginald Maulding dem neuen Labour-Finanzminister Jim Callagher entweder persönlich oder in einem Brief (Berichte variieren) wissen lasen: „Viel Glück, alter Knacker. Tut mir leid, dass ich es in einem solchen Schlamassel zurücklasse.“ Er meinte nicht das Büro, sondern das Budget.

Dürre Zeiten

Doch ob Geplänkel oder scharfer Streit: Die Auswirkungen werden einmal mehr die Bevölkerung tragen. 

Reeves hat Sparmaßnahmen in der Höhe von 6,5 Milliarden Euro angekündigt. Pensionisten ohne Sozialleistungen werden keine Winterheizbeihilfe mehr bekommen, der Tunnel unter Stonehenge wird doch nicht gebaut und ungenützte Grundstücke verkauft. Und obwohl sie im Wahlkampf wiederholt versprochen hat, keine Steuern für die arbeitende Bevölkerung anzuheben, meinte die neue Finanzministerin nun zum News Agents Podcast, sie müsse dies im Herbst doch tun müsse. 

Kommentare