Katalonien: Machtkämpfe und Finten

In der politischen Defensive: Puigdemont
Überraschende Kehrtwende von Separatistenführer Puigdemont

Ein Waldspaziergang schien Carles Puigdemont die Gelegenheit für die politische Kehrtwende. Die Unabhängigkeit Kataloniens, so erzählte er dem Redakteur der belgischen Zeitung Soir, sei für ihn keineswegs zwingend. "Ich bin bereit und ich war immer bereit, eine andere Beziehung mit Spanien zu akzeptieren. Eine andere Lösung als die Unabhängigkeit ist möglich."

Eine überraschende Haltung für den Mann, der in Katalonien im offenen Bruch mit der spanischen Verfassung eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abgehalten und diese Unabhängigkeit – wenn auch ohne Datum – vor dem Parlament in Barcelona verkündet hat. Seither sitzt Puigdemont in Belgien im Exil.

Separatisten verlieren

Nur eines von vielen überraschenden politischen Manövern, die in Barcelona im anlaufenden Wahlkampf durchgeführt werden. Für den 21. Dezember sind Regionalwahlen in Katalonien anberaumt. Die jüngsten Umfragen zeigen, dass die bisher mit knapper Mehrheit regierenden Separatisten an Zuspruch verlieren. Jene Parteien, die für den Erhalt der Einheit Spaniens eintreten, steuern auf eine Mehrheit zu.

Nicht nur schwindende Umfragewerte machen den Separatisten zu schaffen. Ihr Regierungsbündnis "Junts pel si" ist zerfallen. Die einzelnen Parteien treten jetzt gegeneinander an. Puigdemont hat sich in seiner eigenen trotz Abwesenheit durchgesetzt und wird Spitzenkandidat. Doch hoher Favorit ist derzeit die linke ERC mit Spitzenkandidat Oriol Junqueras. Der schwergewichtige Sozialist setzt – im Gegensatz zum bürgerlichen Puigdemont – weiter voll auf Unabhängigkeit. Damit aber kommt er als Gesprächspartner für Madrid nicht in Frage.

Suche nach Kompromiss

Doch ob und mit wem die Regierung in Madrid verhandeln will, bleibt ungewiss. Für den konservativen spanischen Regierungschef Mariano Rajoy müssen sich derzeit nur die Gerichte mit den Separatisten befassen. Neben Oriol Junqueras sind ja alle ihre führenden Köpfe derzeit in Haft. Rajoy setzt auf einen Sieg der pro-spanischen Kräfte in Katalonien. Doch auch wenn die Wahl anders ausfallen sollte, werde man auf Kurs bleiben, versicherte der Regierungschef bei einem Auftritt in Barcelona: Der Artikel 155 der spanischen Verfassung, der jede Loslösung einer einzelnen Region verbietet, bleibe in Kraft.

Rajoy selbst aber verliert an Rückhalt. Inzwischen ist eine Mehrheit der Spanier dafür, nicht nur in Katalonien, sondern in ganz Spanien vorzeitig Wahlen abzuhalten. Eine neue Lösung für Katalonien braucht, so sehen es offensichtlich die Spanier, auch neue Gesichter.

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