Nach Wahlen in NRW: "Natürlich gilt die Brandmauer"

Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen
Die AfD verdreifachte ihr Ergebnis bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Aus der Siegerpartei CDU erteilte man einer Zusammenarbeit bereits eine Absage.

Zusammenfassung

  • CDU bleibt trotz Verlusten stärkste Kraft bei den NRW-Kommunalwahlen, AfD legt deutlich zu und wird drittstärkste Partei.
  • Parteien schließen Zusammenarbeit mit der AfD aus und kündigen gegenseitige Unterstützung bei Stichwahlen gegen AfD-Kandidaten an.
  • Grüne und FDP verlieren deutlich, Wahlbeteiligung steigt auf 56,8 Prozent, bundesweite Aufmerksamkeit wegen Signalwirkung für kommende Wahlen.

Nach den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen setzen sich am Montag die Parteigremien mit den Ergebnissen auseinander. Die CDU blieb trotz leichter Rückgänge im Vergleich zu den Wahlen 2020 klar die stärkste Kraft. 

Die AfD verdreifachte ihr Ergebnis im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland fast. Der nordrhein-westfälische CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak betonte am Montag, dass es auf lokaler Ebene weiter keine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD geben werde.

"Selbstverständlich, das ist doch ganz eindeutig", sagte Ziemiak und verwies auf den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei mit der AfD. "Natürlich gilt die sogenannte Brandmauer, auch wenn ich dieses Wort nicht für besonders glücklich halte." Der AfD-NRW-Landesvorsitzende, Martin Vincentz, hatte eine Zusammenarbeit mit seiner Partei in Räten und Kreistagen gefordert. In der deutschlandweit beachteten Wahl landete die AfD auf dem dritten Platz hinter der SPD. Die Grünen mussten erhebliche Einbußen hinnehmen.

CDU und SPD erzielten ihre bisher schlechtesten Ergebnisse bei Kommunalwahlen 

Laut vorläufigem Landesergebnis erreichte die CDU in den Stadträten der kreisfreien Städte und in den Kreistagen 33,3 Prozent (2020: 34,3 Prozent). Die SPD kam auf 22,1 Prozent (2020: 24,3 Prozent), wie die Landeswahlleiterin im Internet mitteilte. Die AfD holte 14,5 Prozent (2020: 5,1 Prozent), die Grünen bekamen 13,5 Prozent (2020: 20,0 Prozent). Schon bei der Bundestagswahl im Februar hatte die AfD in NRW die Grünen überholt.

Die Linke kam auf 5,6 Prozent (2020: 3,8 Prozent) und die FDP auf 3,7 Prozent (2020: 5,6 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag laut Landeswahlleiterin bei 56,8 Prozent und damit deutlich über der von 2020 (51,9 Prozent). CDU und SPD erzielten damit ihre bisher schlechtesten Ergebnisse bei Kommunalwahlen in dem bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland. Politiker beider Parteien verwiesen aber darauf, dass die Werte deutlich über den derzeitigen Umfragen im Bundesdurchschnitt liegen. Die Wahlbeteiligung fiel mit 56,8 Prozent relativ hoch (2020: 51,9 Prozent) aus.

Erster Stimmungstest für Regierung

Zwar haben Kommunalwahlen eigene Gesetzmäßigkeiten, weil dabei lokale und regionale Themen beherrschend sind. Doch das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen wurde auch im politischen Berlin aufmerksam verfolgt. Schließlich war es der erste politische Stimmungstest nach der deutschen Bundestagswahl im Februar. Die Ergebnisse dort decken sich weitgehend mit dem bundesweiten Umfragetrend der Parteien. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD verlieren gemessen am Ergebnis der Bundestagswahl an Zustimmung, während die AfD zulegen kann.

Vor den wichtigen Landtagswahlen im kommenden Jahr gibt es also Beratungsbedarf in den Berliner Parteizentralen. Im März werden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und im September in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern neue Landesparlamente gewählt.

Das Erstarken der AfD im Westen löste bei den anderen Parteien Sorge aus. "Dieses Ergebnis muss uns zu denken geben, kann uns auch nicht ruhig schlafen lassen", sagte CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst. "Selbst meine Partei nicht, die diese Wahl so klar gewonnen hat."

German Chancellor Merz and North Rhine-Westphalia State Premier Wuest attend a NRW state cabinet meeting, in Muenster

Hendrik Wüst mit dem deutschen Kanzler Friedrich Merz (l.)

Stichwahlen in vielen Großstädten

Gewählt wurden neben den Kommunalparlamenten auch Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte. In vielen Großstädten wie Aachen, Bonn, Bochum, Bielefeld, Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Essen, Köln und Münster gibt es am 28. September Stichwahlen um die Oberbürgermeister-Posten.

In der größten NRW-Stadt Köln kommt es zu einer Stichwahl zwischen der Grünen-Landtagsvizepräsidentin Berivan Aymaz und dem SPD-Mann Torsten Burmester. In der Landeshauptstadt Düsseldorf lag CDU-Amtsinhaber Stephan Keller vorne, muss aber in die Stichwahl gegen die Grüne Clara Gerlach. In Bonn muss sich die grüne Oberbürgermeisterin Katja Dörner einer Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten Guido Déus stellen, der im ersten Wahlgang die Nase vorn hatte.

Drei Stichwahlen mit AfD-Beteiligung

In den Ruhrgebietsstädten Gelsenkirchen, Duisburg und Hagen kamen AfD-Kandidaten in die Stichwahl, sie treten gegen SPD-Kandidaten (Gelsenkirchen, Duisburg) und einen CDU-Kandidaten (Hagen) an.

Bei diesen drei Stichwahlen wollen sich CDU und SPD gemeinsam gegen die AfD-Kandidaten unterstützen. Das kündigten Ministerpräsident Wüst und SPD-Landesparteichefin Sarah Philipp noch am Wahlabend im WDR-Fernsehen an. "Da, wo die CDU mit der AfD in der Stichwahl ist, da ist für mich als Sozialdemokratin ganz klar, wir unterstützen natürlich die CDU", sagte Philipp. Das erwarte sie umgekehrt auch von der CDU. Wüst sagte, dass die CDU in der Frage glasklar aufgestellt sei. "Wenn jemand von der AfD in der Stichwahl ist und jemand von einer demokratischen Partei, dann wissen Demokraten, was zu tun ist."

AfD: "Volksabstimmung über die Richtung unseres Landes"

AfD-Landeschef Martin Vincentz sagte am Sonntagabend: "Die ersten Auszählungen zeigen es deutlich: NRW möchte weniger "Weiter so" und mehr AfD - viel mehr!" Die Kommunalwahl sei mehr als eine reine Abstimmung über Bürgermeister, Stadträte und Kreistage. Sie sei eine "Volksabstimmung über die Richtung unseres Landes" gewesen.

SPD: Konnten Abwärtstrend nicht stoppen

Enttäuscht reagierten die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil. "Es ist richtig, dass wir den Abwärtstrend nicht stoppen konnten", sagte die Duisburgerin Bas im WDR. Dennoch seien die Werte kein Desaster, wie es ihrer Partei zuvor prognostiziert wurde. "Wir müssen uns natürlich fragen, wie wir aus diesem Tief wieder rauskommen", sagte Bas. Das gute Ergebnis der AfD müsse allen demokratischen Parteien Sorge machen.

"Das ist ein schlechtes Ergebnis für die SPD", sagte SPD-Landeschef Achim Post am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Post forderte die deutsche Bundesregierung zu schnellen weiteren Reformen auf. Er setze etwa darauf, "dass das 500 Milliarden-Sondervermögen, gerade das Geld, was für die Kommunen ist, vor Ort ankommt und dass man schnell damit arbeiten kann".

Spahn: Rückenwind für schwarz-rote Koalition

Der Ausgang der Kommunalwahlen mit dem Sieg der CDU gibt nach Einschätzung von Unions-Fraktionschef Jens Spahn der schwarz-roten Koalition im Bund Rückenwind. Das Ergebnis sei Ansporn für eine ruhige pragmatische Arbeit. Zugleich warnte Spahn: "Der Zuwachs der extremen Rechten muss uns allen ein Weckruf sein: Armutsmigration, Sozialmissbrauch und zu oft gescheiterte Integration dürfen nicht tabuisiert werden."

SPD executive committee meets in Berlin

Lars Klingbeil und Bärbel Bas 

Enttäuschung bei den Grünen

Die NRW-Grünen reagierten enttäuscht angesichts des Absturzes ihrer Partei. "Bei der vergangenen Kommunalwahl hatten Zukunftsthemen Rückenwind, derzeit haben sie oft Gegenwind", teilten die Grünen-Landesvorsitzenden Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer mit. 2020 hatten die Grünen mit 20 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen erzielt.

Fast 14 Millionen Wahlberechtigte

Rund 13,7 Millionen Bürger waren zu den Kommunalwahlen im bevölkerungsstärksten deutschen Bundesland aufgerufen. Seit 1999 hat die CDU bei Kommunalwahlen in NRW regelmäßig landesweit die meisten Stimmen geholt.

Kommentare