Vor Trump-Putin-Gipfel: Europa will Trumps Ohr und einen Waffenstillstand

Der deutsche Kanzler Friedrich Merz empfängt den ukrainischen Präsidenten Selenskij
Vor dem Gipfel zwischen russischem und US-Staatschef am Freitag in Alaska stimmen sich die Europäer noch mit Ukraines Präsidenten Selenskij ab – und warnen Trump vor einem voreiligen Deal mit Putin.

Wenn sich Donald Trump und Wladimir Putin am Freitag in Anchorage, Alaska zusammensetzen, um über ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges zu beraten, soll das schlimmste Szenario – zumindest aus europäischer Sicht – verhindert werden: ein riesiger, vom US-Präsidenten abgesegneter Gebietsverlust für die Ukraine.

In aller Dringlichkeit rief deswegen gestern Deutschlands Kanzler Friedrich Merz die wichtigsten europäischen Verbündeten zu einer Video-Konferenz zusammen. Mit ihrer gemeinsam gefundenen Position, die Ukraines Präsidenten Wolodimir Selenskij stützen sollte, wandten sich die Europäer danach dann ebenfalls per Video an Trump und dessen Vize JD Vance.

Wobei dies allein schon als gewisser Erfolg galt: Zumindest wurden die Europäer von der US-Führung angehört – was allerdings noch lange nicht heißen muss, dass Trump die europäischen Forderungen in Bezug auf die Ukraine berücksichtigt.

Mehr als alles andere will Europa verhindern, dass Trump bei seinem Treffen mit dem Kremlherrn einen Deal schließt – über die Köpfe der Ukrainer und der Europäer hinweg. Das bedeutet: Kein „Gebietstausch“, wie zuletzt kolportiert wurde und auch sonst noch keine Vorgaben, wie sie Russland verlangt.

Gebietsverluste

Zunächst, so fordern es Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Finnland, müsse zwischen Ukraine und Russland ein robuster Waffenstillstand fixiert werden. Erst danach sollten konkrete Verhandlungen über ein Kriegsende begonnen. 

Auch wenn Selenskij es kategorisch ablehnt und die europäischen Politiker es nicht offen aussprechen, so gilt es doch als unvermeidlich, dass die Ukraine einige von Russland besetzte Gebiete wird abtreten müssen.

Ein Gebietsaustausch, so verlangen es die Europäer, könne nur auf Gegenseitigkeit beruhen. Das bedeutet: Wenn sich die Ukraine aus einigen Regionen zurückzieht, muss sich Russland aus anderen zurückziehen. Zudem müsse jegliches Zugeständnis gegenüber Russland mit strengen Sicherheitsgarantien abgesichert werden. Nur so lasse sich die Ukraine vor einem neuerlichen Angriff Russlands schützen.

Aber "es gibt Hoffnung auf Frieden", sagte Merz, nach dem Treffen mit den Europäern. Und Selenskij fügte in einer Pressekonferenz hinzu: "Wenn es um die Ukraine geht, muss die Ukraine am Tisch sitzen." Russland dürfte kein Veto im Bezug auf die Ukraine haben. Sanktionen seien wichtig, schon bisher seien sie wirksam gewesen. "Putin will keinen Frieden, wir brauchen Druck. Nur Sanktionen und Druck können den Krieg stoppen." Und Selenskij fügte hinzu: Er halte sich an die ukrainische Verfassung, deshalb könne er den Rückzug aus besetzen Gebieten gar nicht andenken.

So weit die Vorschläge der Europäer – die sich Trump und sein Vize JD Vance am Mittwochnachmittag eine Stunde lange angehört haben. Der Zickzack-Kurs des US-Präsidenten gegenüber Russland hatte in der EU und der Ukraine zuletzt extreme Sorgen geschürt. Nach anfänglichen Entgegenkommen hatte Trump plötzlich auf Härte geschaltet, dem Kreml mit einem Ultimatum gedroht – und war dann doch auf das Angebot Putins eingegangen, ihn persönlich zu treffen. Und alsbald sprach Trump wieder von einem „Gebietstausch“ – und ließ somit in Europa wieder die Alarmglocken klingen.

Finnlands Präsident Alexander Stubb, der über sein Golfspiel einen guten Draht zu Trump hat, weiß, was für die Ukraine unabdingbar nötig ist: Die Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit, ihre Souveränität und Territorium. Wobei er indirekt andeutete: Wenn die Ukraine ihr Unabhängigkeit und ihre Demokratie erhalten kann, wären territoriale Zugeständnisse schmerzhaft, aber verkraftbar.

Ganz anders argumentiert Ungarns Premier Viktor Orban: Dieser sagte mit Blick auf das geplante Treffen von Trump und Putin: Der ukrainische Präsident Selenskij habe den Krieg verloren: „Wir reden hier darüber, so als ob es sich um eine Kriegssituation mit offenem Ausgang handeln würde.“ Das sei falsch. „Die Ukrainer haben diesen Krieg verloren, Russland hat den Krieg gewonnen.“ 

Stocker: "Ein sehr guter Tag für den Beginn der Verhandlungen"

Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker zeigte sich am Rande seiner Balkanreise im Gespräch mit Journalisten positiv gestimmt, was die Verhandlungen angeht. Er sprach von "großer Einigkeit" der Europäer mit Kanada, Japan, aber auch dem US-Vizepräsidenten JD Vance. Ein wichtiger Punkt sei ein stabiler Waffenstillstand zwischen Russland und Ukraine. Zu den von den Europäern ins Spiel gebrachten Sicherheitsgarantien gäbe es noch keine Details - etwa wer sie geben soll und unter welchem Mandat dies erfolgen würde. Für Stocker war es unterm Strich "ein sehr guter Tag für den Beginn der Verhandlungen in Alaska, weil er auch Klarheit geschaffen hat, in welche Richtung es gehen soll."
(Mitarbeit: Elisabeth Kröpfl)

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