Vor Pelosi-Besuch: Darum ist der Taiwan-Konflikt so gefährlich

Ein Soldat vor Taiwans Flagge
Die geplante Visite der US-Spitzenpolitikerin hat die Spannungen um die von China abtrünnige Insel massiv erhöht. Lesen Sie hier alles zum Thema.

Der Streit um Taiwan ist einer der gefährlichsten Konfliktherde der Welt. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine wächst die Sorge, dass China auf ähnliche Weise versuchen könnte, die demokratische Insel zu erobern.

Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete. Ein militärischer Konflikt hätte massive Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Auch stünden sich die beiden Atommächte China und USA gegenüber.

Warum ist Taiwan politisch so wichtig für China?

Der kommunistische Machtanspruch geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik China zurück. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten zog die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan, während Mao Tsetung 1949 in Peking die Volksrepublik ausrief. Der heutige Staats- und Parteichef Xi Jinping sieht eine "Vereinigung" mit Taiwan als "historische Mission".

Gibt es auch militärische und wirtschaftliche Gründe?

Die Insel zwischen Japan und den Philippinen hat große strategische Bedeutung. US-General Douglas MacArthur bezeichnet Taiwan einst als "unsinkbaren Flugzeugträger" der USA. Eine Eroberung durch China wäre ein wichtiger Baustein in dessen Großmacht-Ambitionen, weil es das Tor zum Pazifik öffnen würde.

Wirtschaftlich ist Taiwan von großer Bedeutung, weil rund die Hälfte der weltweit benötigten Halbleiter für Elektrogeräte oder auch Waffen auf der Insel erzeugt wird.

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Ob im Computer, iPhone oder E-Auto: Die Chips der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, kurz TSMC, sind fast überall verbaut. Der weltgrößte Chip-Auftragsfertiger aus Hsinchu gilt als fortschrittlichster und derzeit expansivster Halbleiterhersteller der Welt. Mit einem Marktanteil von 55 Prozent in der Auftragsfertigung lässt der Konzern den südkoreanischen Rivalen Samsung weit hinter sich und gilt ob seiner globalen Vernetzung als systemrelevant für die Weltwirtschaft. 

Sieben riesige Halbleiter-Fabriken betreibt TSMC in Hsinchu, 14 sind es in ganz Taiwan. Fast 57.000 Taiwaner sind im Konzern beschäftigt, der als Marktführer bei besonders kleinen und schnellen Chips auf Basis der sogenannten Fünf-Nanometer-Technologie gilt. Größter Abnehmer ist iPhone-Hersteller Apple. 

USA statt China
Sogar mit China macht TSMC Geschäfte, das Festland war lange einer der größten Abnehmer. Seit dem Handelskrieg zwischen den USA und China steht das Geschäft dort aber mehr oder weniger still. An den chinesischen Telekom-Konzern Huawei werden seither keine Chips mehr geliefert.

Dafür expandiert TSMC in anderen Teilen der Welt massiv. Allein im kommenden Jahr will der Konzern 40 Mrd. Dollar in neue Fabriken stecken. Fest steht bereits, dass TSMC in der andauernden Chipkrise rund 12 Mrd. Dollar in neue Werke in den USA investiert und zusammen mit Sony in Japan eine Fabrik baut. 

In Europa stehen die Taiwaner trotz des milliardenschweren Förderprogramms „European Chips Act“ auf der Bremse. Es gebe keine „konkreten Pläne“, sagte Chairman Mark Liu erst Ende Juni. Man bewerte die Lage.

Warum wird Taiwan nur von wenigen Ländern in der Welt anerkannt?

China zwingt jedes Land, das diplomatische Beziehungen mit Peking haben will, keine offiziellen Kontakte mit Taiwan zu unterhalten. Es ist vom "Ein-China-Grundsatz" die Rede. Danach ist Peking die einzige legitime Vertretung Chinas. Auf chinesischen Druck wurde Taiwan aus den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen ausgeschlossen.

Nur weniger als zwei Dutzend kleinere Länder, etwa in Lateinamerika, unterhalten noch diplomatische Beziehungen. Die USA betreiben nur eine inoffizielle Vertretung in Taipeh.

Was wollen die Taiwaner?

Die Taiwaner verstehen sich mehrheitlich längst als unabhängig und wollen zumindest den Status quo wahren. Auch wollen sie als Demokratie international anerkannt werden und sich keinem diktatorischen System wie in Festlandchina unterwerfen. Die frühere Kuomintang-Regierung hatte einst selber einen Vertretungsanspruch für ganz China, was sich bis heute im offiziellen Namen "Republik China" widerspiegelt.

Dieser Anspruch wurde 1994 aufgegeben. Damals wandelte sich Taiwan von einer Diktatur zu einer lebendigen Demokratie. Jede Veränderung des Status quo müsste aus Sicht der Regierung heute demokratisch von den 23 Millionen Taiwanern entschieden werden.

Droht in naher Zukunft eine militärische Eroberung durch China?

Die Gefahr hat unter Xi Jinping deutlich zugenommen. Dafür modernisiert China schon lange besonders seine Marine und Luftwaffe. Es wird davon ausgegangen, dass der mächtige Präsident das Vorhaben noch in seiner Amtszeit umsetzen will. Im Herbst will sich Xi Jinping für weitere fünf Jahre bestätigen lassen. Weitere Amtszeiten sind denkbar. Ein ausländischer Botschafter meinte jüngst: "Ich hoffe, dass Xi Jinping noch möglichst lange im Amt bleibt." Das würde den Zeitpunkt einer militärischen Eroberung weiter in die Zukunft schieben.

Würden die USA Taiwan im Falle eines Angriffs verteidigen?

Nachdem die USA in diesen Punkt zum Zwecke der Abschreckung "strategisch zweideutig" geblieben waren, ist US-Präsident Joe Biden weitergegangen als seine Vorgänger. Er bezeichnete es wiederholt als "Verpflichtung", Taiwan zu verteidigen. Ob mit Waffenlieferungen oder mit eigenen Truppen - das ließ er offen. Nach der diplomatischen Anerkennung Chinas hatten sich die USA schon 1979 mit dem "Taiwan Relations Act" gesetzlich selbst dazu verpflichtet, Taiwans Verteidigungsfähigkeit weiter zu unterstützen.

Geht das US-Gesetz noch weiter?

Die USA verpflichten sich darin, Taiwan "Waffen defensiver Art" zu liefern und "Taiwan in die Lage versetzen, eine ausreichende Selbstverteidigungsfähigkeit zu wahren". Jeder Versuch, "die Zukunft Taiwans mit anderen als friedlichen Mitteln zu bestimmen", wird auch als Bedrohung des Westpazifiks und große Sorge der USA definiert. Die US-Streitkräfte sollten ihre Fähigkeit wahren, "sich jeder Gewaltanwendung oder anderer Form von Nötigung zu widersetzen, die die Sicherheit oder das soziale und wirtschaftliche System des taiwanesischen Volkes gefährdet".

Welche Auswirkungen hätte ein militärischer Konflikt?

Experten gehen davon aus, dass ein Krieg um Taiwan massive und größere Auswirkungen hätte als der Angriff Russlands auf die Ukraine - auch auf Deutschland. Taiwan ist Nummer 22 der großen Volkswirtschaften, industriell weit entwickelt und stark mit der Weltwirtschaft verflochten. Ein Großteil der ohnehin knappen Halbleiter stammen von dortigen Unternehmen. Wegen der großen Abhängigkeit vom chinesischen Markt wären deutsche Unternehmen massiv betroffen, wenn ähnlich wie gegen Russland wirtschaftliche Sanktionen gegen China verhängt werden sollten.

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