Volle Kraft auf Konfrontation

Russische Manöver auf der annektierten Krim.
Das Verhältnis zwischen Russland und USA ist so schlecht wie schon lange nicht.

"Die Geduld aller mit Russland ist am Ende." Mit diesen Worten erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, die US-Entscheidung, die Gespräche mit Russland über eine Waffenruhe in Syrien abzubrechen. Für die Amerikaner ist das Maß voll: Erst der Beschuss eines Hilfskonvois für Aleppo, dazu der Dauerbombenhagel auf Aleppo inklusive Angriffen auf Spitäler; und zu guter Letzt die Aussetzung der vereinbarten Entsorgung von atomwaffenfähigem Plutonium. Russland werde nur zur mit den USA vor 16 Jahren getroffenen Vereinbarung zurückkehren, wenn Washington sämtliche Sanktionen aufhebt, Kompensationszahlungen leistet und sich aus den NATO-Staaten in Osteuropa zurückzieht, forderte Kremlchef Wladimir Putin. Damit ging er auf vollen Konfrontationskurs mit den USA. Washington reagierte kurz darauf mit dem Abbruch des Syrien-Dialogs.

Stehen wir jetzt vor einem neuen Kalten Krieg? Nein, antwortet Brigadier Walter Feichtinger von der Landesverteidigungsakademie auf die Frage des KURIER. "Es ist ein strategischer Poker Moskaus auf zwei Ebenen: Die erste ist Syrien, die zweite ist der Versuch Russlands, die Sanktionen loszuwerden. Das spielt zusammen, sollte jedoch getrennt beurteilt und behandelt werden." Faktum ist aber, dass das Vertrauen zwischen den USA und Russland so zerstört wie schon lange nicht seit Ende des Kalten Krieges ist. Daran kann selbst das als besonders gut geltende Verhältnis der beiden Chefstrategen, John Kerry und Sergej Iwanow, nichts ändern.

Die Liste der Konflikte ist auch lang. Man denke an den Aufbau eines US-Raketenabwehrschirms in Osteuropa, auf den Russland wütend reagierte. Moskau griff dafür direkt in der Ukraine ein, das in die EU und NATO drängt: Russland schickte Kämpfer in die Ukraine und annektierte die Krim. Die Reaktion der NATO schmeckte wiederum Präsident Putin gar nicht: Aus Angst vor russischer Aggression werden NATO-Truppen nach einem Rotationsprinzip im Baltikum stationiert, was aber Russland als klaren Verstoß gegen die NATO-Russland-Akte anprangert.

Volle Kraft auf Konfrontation
Portrait und Pass + Schreibtisch und Interview Fotos FEICHTINGER Walter am 26 08 2016 in Wien
"Die USA setzten damit ein klares Zeichen an die Osteuropäer, dass man ihre Sorgen ernst nimmt", erklärt Brigadier Feichtinger, aber die Mannstärke ist gering. "Während des Kalten Krieges war das ganz anders." Zum anderen sei es als Signal an Russland zu verstehen, dass hier eine rote Linie erreicht ist, "was in Moskau auch verstanden wird".

Gefährliche Dynamik

Anders als in Zeiten des Kalten Krieges bleibt auch die Tür zum Dialog offen. Der NATO-Russland-Rat kann jederzeit wieder einberufen werden. Feichtinger wünscht sich Besonnenheit: "Keep cool. Wir sollten nichts hochspielen, sonst kann das eine Dynamik entwickeln, die keiner will. Nicht Russland, nicht die USA und schon gar nicht Europa."

In Syrien gehe es Russland um geostrategische Interessen, sagt Feichtinger. Die strategischen Ziele Moskaus seien ganz klar: "Erstens die Stärkung des Assad-Regimes – mit der völkerrechtlichen Legitimation, dass dies die gewählte Regierung ist; zweitens, Russland präsentiert sich als sichere Schutzmacht, auf die in Krisenzeiten vom Veto im UN-Sicherheitsrat bis hin zur militärischen Unterstützung wie in Syrien Verlass ist. Damit will Moskau seinen Einfluss und seine Stellung im arabischen Raum stärken. Das kann für den einen oder anderen bedrängten Regierungschef interessant sein. Und drittens tritt Russland damit wieder als Weltmacht auf."

Auf jeden Fall sei ohne Beteiligung der USA "die Luft aus den Friedensgesprächen draußen", sagt Feichtinger. "Das bedeutet volle Handlungsfreiheit für das syrische Regime und sein Unterstützer Russland und Iran." Sie würden alles daran setzen, Aleppo bis Jahresende einzunehmen, um damit Fakten am Boden zu schaffen für eine noch stärkere Position bei folgenden Friedensverhandlungen.

"Sie sind im Inferno"

Ein militärisches Eingreifen der USA – abgesehen vom laufenden Kampf gegen den "Islamischen Staat" – schließt Feichtinger aus. Nach den Erfahrungen in Afghanistan und im Irak werde kein Präsident in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen. Die Machtverhältnisse im Norden und Südosten seien weitgehend geklärt, der IS verliere laufend an Boden. Alles konzentriert sich auf Aleppo, dort fällt die Entscheidung. Feichtinger: "Es ist entsetzlich, aber den Menschen in Aleppo kann derzeit niemand helfen. Sie sind im Inferno."

Offiziell wurde er nie erklärt, der „Kalte Krieg“ – der die Welt vor einem „heißen“, Dritten Weltkrieg verschonte, sie aber über vier Jahrzehnte lang in gefährlicher Spannung hielt. Ursprünglich Verbündete gegen Nazi-Deutschland, wurden bereits unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges massiven Differenzen zwischen den USA und der UdSSR spürbar.
Im März 1946 verkündete der britische – und extrem sowjetkritische – Premier Winston Churchill: „Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria ist ein eiserner Vorhang über den Kontinent heruntergegangen.“ Dies- und jenseits dieser Trennlinie setzte ein Wettkampf der ideologischen Systeme ein. Die kapitalistischen, demokratischen Staaten des Westens, gestützt und angeführt von den USA, versus die kommunistischen Staaten unter der rigiden Führung der Sowjetunion. Vom „Cold War“ sprach der US-Journalist Walter Lippmann, der 1947 die zunehmenden Spannungen beschrieb und damit einer ganzen Epoche seinen Namen gab.


Blockiertes Westberlin

Als US-Präsident Truman Europa mit dem Marshall-Plan ein gigantisches Wiederaufbauprogramm anbot, untersagte der sowjetische Diktator Stalin den osteuropäischen Ländern unter seiner Einflusszone die Teilnahme. Die Trennung zwischen Ost und West war vollzogen.
Erstes Opfer: Westberlin. Die Sowjets blockierten alle Zufahrtswege, ein Jahr lang wurden deshalb die Bewohner Westberlins mit sogenannten Rosinenbombern per Luftbrücke der Westalliierten versorgt. Erst im Mai 1949 wurde die Blockade aufgehoben. Westdeutsche und Westalliierte verbündeten sich infolgedessen gegen die UdSSR. 1949 wurde das westliche Militärbündnis NATO gegründet. 1955 schlossen sich die kommunistischen Staaten Europas zum Warschauer Pakt zusammen – die Teilung der Welt in zwei Lager war auch militärisch besiegelt.

Der erste "heiße Krieg"

Der erste „heiße Krieg“ war da bereits wieder vorbei. Auf der koreanischen Halbinsel führten der Norden (kommunistisch, von China unterstützt) von 1950 bis 1953 gegen den Süden (USA- und UNO-unterstützt) einen extrem opferreichen Krieg. Und rund 150 kleinere und auch große, „heiße“ Kriege, wie etwa jener in Vietnam, werden in der Zeit bis 1989 noch folgen. Mal sind sie sogenannte Stellvertreter-Kriege, wo jeweils Verbündete der USA und der UdSSR gegeneinander kämpfen. Mal ist nur jeweils eine Seite offen in den Krieg involviert, wie etwa die USA in Vietnam oder die UdSSR in Afghanistan, nach deren Einmarsch 1979.
Nie aber standen sich in den Jahren nach 1945 die Supermächte USA und UdSSR in direkter militärischer Konfrontation gegenüber. Beiden Seiten war klar: Einen Krieg der beiden Atommächte würde niemand überstehen. Dennoch schrammte die Welt 1962 während der Kuba-Krise nur ganz knapp an einem Atomkrieg vorbei. Die UdSSR hatte auf Kuba Atomraketen stationieren lassen – ein absoluter Kriegsgrund für Washington. Kremlchef Chruschtschow ließ die Raketen schließlich wieder abziehen.
Die UdSSR scheiterte letztendlich an ihrem Wirtschaftssystem, 1989 fiel der „Eiserne Vorhang“. Osteuropas Staaten befreiten sich aus dem kommunistischen Einflussbereich – einen Krieg, auch einen Kalten, musste niemand mehr führen.


Ingrid Steiner-Gashi

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