Virtuelle Mobilmachung um Spenden

Virtuelle Mobilmachung um Spenden
Wahlkampf im Netz: Im Endspurt werden Helfer mobilisiert, um Spenden und Stimmen zu sammeln.

Das abendliche Gespräch beginnt mit einer Entschuldigung: "Ich rufe nicht wegen Spenden an", sagt eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Er wolle lediglich fragen, ob ich in den nächsten Tagen Zeit hätte, im Wahlkampflager von Barack Obama freiwillig auszuhelfen. Wenn jemand auf den Anruflisten der demokratischen oder der republikanischen Wahlkampfzentralen steht, heißt das: ständige Anrufe am Handy zu jeder Tageszeit. Alle wollen meist das eine: Geld.

Auch im eMail-Fach schlägt sich der Wahlkampf unübersehbar nieder. Seit Wochen werden die zunehmend genervten Wähler mit Mails bombardiert. Ein Dutzend am Tag können es schon werden. Als Absender stehen prominente Namen wie Barack Obama, seine Frau M­ichelle, Bill Clinton, Vizepräsident Joe Biden, der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, seine Frau Ann und ihre Söhne, die am Wahlkampf intensiv teilnehmen. Auch in den eMails geht es meistens um Geldspenden.

Fünf Dollar für Michelle

Typisch amerikanisch sprechen die Mails den Empfänger gleich informell an – mit Vornamen. "Ich möchte Ihnen danken. In den letzten eineinhalb Jahren haben Sie so unglaubliche Arbeit geleistet, um die Nachricht zu verbreiten, was wir in den vergangenen vier Jahre gemeinsam erreicht haben. (…) Und wenn Sie vor Mitternacht etwas spendieren, werden Sie automatisch die Chance erhalten, Barack und Ex-Präsident Clinton im Wahlkampf in Kalifornien zu begleiten", steht in einem Mail mit Absender Michelle Obama. "Bitte um eine Spende von fünf Dollar oder mehr", endet ihre Botschaft.

Die Republikaner verlangen meistens weniger. "Plaudern mit Anhängern ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in diesem Wahlkampf", erklärt im betont lockeren Stil ein angeblich vom eher steifen republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten Paul Ryan verfasstes Mail. "Spenden Sie drei Dollar, um automatisch teilnehmen zu können." Ann Romney verlangt hingegen fünf Dollar für ein gemeinsames Essen mit Anhängern.

Seitenhiebe über Twitter

Twitter ist ein anderes beliebtes Kampfmittel. Der Leiter des demokratischen Lagers, David Axelrod, verwendet es mehrmals am Tag, um auch persönlich Mitt Romney Schläge zu verpassen. Wie etwa gegen eine Fernsehwerbung der Republikaner im Swing State Ohio, in der die Autofirma Chrysler beschuldigt wird, die Jeep-Produktion von dort nach China verlegen zu wollen. Diese Information hatte sich bald als falsch entpuppt. "Wenn es um Autos geht, sollte Romney weg von der Straße bleiben. Er hat keinen Führerschein", twitterte Axelrod prompt. Im Wahlkampf präsentiert sich der republikanische Kandidat gern als Kenner der US-Autoindustrie, die er vor dem Untergang retten will.

Nicht nur Politiker greifen zum Internet. Auch die Wähler beteiligen sich hoch aktiv am Wahlkampf durch Facebook oder Twitter. Kaum etwa verhöhnte Obama in der letzten Fernsehdebatte Romneys militärische Kenntnisse mit der Bemerkung, die US-Armee habe heute auch weniger "Pferde und Bajonette" als früher, machte der Scherz die Runde, hämische Kommentare überfluteten das Netz.

"Die Präsidentschaftswahl 2008 wurde als ,die Wahl der sozialen Medien" bekannt", schreibt Laurence Cruz in einer Analyse für die US Cisco Technology Webseite. In diesem Jahr aber haben beide Wahlkampflager noch mehr auf den virtuellen Raum gesetzt. "Nur wenige werden nicht zustimmen, dass 2012 das Jahr ist, in der die sozialen Medien in der Politik tatsächlich erwachsen geworden sind", so Cruz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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