Franzosen trauen Le Pen das Regieren nicht zu
Es ist ein "Déjà-Vu"-Erlebnis für die französische Öffentlichkeit. Für sehr informierte und zumeist ältere Franzosen, die sich noch der schwarz-blauen Regierung, dem Höhenflug von Jörg Haider oder gar der umstrittenen Präsidentschaft von Kurt Waldheim entsinnen, passt der Erfolg von Norbert Hofer ins gewohnte Österreich-Bild.
Für die anderen ist es bloß ein weiteres Symptom einer langen Reihe von ähnlich empfundenen Phänomenen – seien es nun der Aufstieg von Donald Trump, der eventuelle "Brexit", die autoritären Vorstöße in Ungarn und Polen, die Erfolge der Populisten in Westeuropa und darunter natürlich des "Front National" (FN) von Marine Le Pen.
Rechtsaußen-Allianz
Nachdem FN und FPÖ sich beidseitig beglückwünschen und das Kernduo der Rechtsaußen-Allianz im EU-Parlament zwecks Aushebelung eben dieser EU bilden, schließen die Franzosen folglich, dass Norbert Hofer und Marine Le Pen ähnlich gepolt sein müssen.
Man könnte meinen, dass diese teilweise Mäßigung – gemeinsam mit der in Frankreich zumindest ebenso großen Verdrossenheit wie in Österreich gegenüber den klassischen Großparteien – dem FN den Weg in höhere politische Etagen ebnen würde. Dem war aber bisher nicht so: Bei den Regionalwahlen im Dezember schnitt der FN zwar landesweit als stimmenstärkste Partei ab (rund 28 Prozent), in mehreren Regionen erzielte er sogar Ergebnisse von fast Hofer’schem Niveau. Aber im zweiten Wahlgang konnten die Nationalisten keine einzige Regionalverwaltung erringen.
Parteiübergreifend
Der Grund: In den drei Regionen, in denen der FN über die größten Siegeschancen verfügte, stimmte im zweiten Durchgang eine parteiübergreifende Wählermehrheit für den jeweils bestgereihten Gegner des FN. In zwei Fällen hatten sich die SP-Kandidaten zugunsten ihrer bürgerlichen Rivalen zurückgezogen. Das war ein beträchtliches Opfer, weil die SP dadurch auch auf jede Vertretung im neuen Regionalparlament verzichtete. SP-Premier Manuel Valls hatte aber betont, die Verteidigung der gemeinsamen Grundlagen der Republik gegen den FN habe Vorrang.
Der Aufruf der SP-Führung, auf die nur mehr wenige hören, hätte freilich kaum gereicht. Wäre da nicht der eigenständige Entschluss vieler Wähler gewesen, einen FN-Sieg notfalls durch die Stimmabgabe für eine ursprünglich nicht bevorzugte Partei zu verhindern. Das zeigte sich in der Großregion Ost, wo sich die SP nicht zurückzog. Trotzdem stimmten auch dort die meisten linken Wähler für die Konservativen, um FN zu verhindern.
Eine soeben von der Zeitung Le Monde veröffentlichte Umfrage erklärt auch warum: Trotz aller Verdrossenheit über die traditionellen Parteien betrachten 61 Prozent der Franzosen den FN als eine "Gefahr für die Demokratie". Nur 27 Prozent glauben, dass er "imstande sei, das Land zu regieren". Bei den Anhängern der bürgerlichen Opposition, die bei den Regionalwahlen wieder jede Koalition mit der FN ausschloss, sind es sogar bloß 14 Prozent, die den Nationalisten Regierungsfähigkeit zutrauen.
Kommentare