Zweiter "Maulwurf" erzürnt Berlin

Spionage-Skandal im Berliner Verteidigungsministerium (o.). Der Spion war im Umfeld von Ministerin Ursula von der Leyen tätig.
Die US-Spionageaffäre weitet sich aus: Ein Soldat in wichtiger Position soll für die CIA gespitzelt haben.

Seit Mittwochfrüh durchsuchen Beamte des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft "im Großraum Berlin" eine Wohnung und Büroräume eines Mitarbeiters im Verteidigungsministerium. Nach Recherchen diverser Medien soll es sich dabei um einen Soldaten handeln, der nahe des Ministerbüros tätig war. Das bestätigten die Bundesanwaltschaft und das Verteidigungsministerium: "Wir nehmen den Fall sehr ernst", so dessen Sprecher.

Der Beamte soll im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA im militärischen Bereich gespitzelt haben. Er sei durch seine intensiven Kontakte mit der CIA dem Militärischen Abschirmdienst MAD, der deutschen Spionageabwehr, aufgefallen, so die Indiskretionen. Er sei zuletzt im Umfeld von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen tätig gewesen.

"Ernsthafter Vorgang"

Der Fall werde von Insidern als "ernster" eingeschätzt als der des vorige Woche verhafteten Mitarbeiters des BND in Pullach bei München, der nachrichtendienstlich bisher als relativ harmlos gilt. Der Verwaltungsmitarbeiter hatte nach eigener Aussage 220, teils geheime Dokumente an die CIA geliefert und dafür bei Treffen in Salzburg insgesamt 25.000 Euro erhalten.

Sein Auffliegen hatte bereits wütende und zynische Kommentare aus der Opposition zur Folge. Kanzlerin Merkel hatte von einem "ernsthaften Vorgang und Vertrauensbruch" gesprochen, Bundespräsident Joachim Gauck die USA aufgefordert, es "nun auch mal gut sein zu lassen".

Als Reaktion darauf hat ein Sprecher der Weißen Hauses die Mitwirkung der US-Regierung bei der Aufklärung zugesagt. Der Chef der CIA, John Brennan, wollte am Dienstag mit dem höchsten Beauftragten der Kanzlerin für die Geheimdienste, dem Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung Klaus-Dieter Fritsche, telefonieren. Darüber wurde aber öffentlich nichts bekannt, auch nicht, ob der neue Fall damit in Zusammenhang steht.

Am Mittwoch kam der US-Botschafter in Berlin, John B. Emerson, "auf eigenen Wunsch" ins Außenministerium, um die Mitwirkung der USA zu versprechen. Am Freitag war er schon wegen des ersten Falls demonstrativ ins Außenamt gebeten worden.

Innenpolitisch kommt nun Kanzlerin Merkel noch weiter unter Druck, die Beziehungen zu Washington zu überprüfen. Ihr Sprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch, es gebe "bei der Frage, wie Sicherheit und Freiheitsrechte in Einklang zu bringen sind, tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten". Die USA sollten sich ihre Informationen besser "direkt bei der Regierung in Berlin besorgen".

"Sumpf"

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, froh über die Ablenkung vom Drogenskandal seines obersten SPD-Sicherheitspolitikers Michael Hartmann, nannte die Spionageaktivitäten der USA eine "schwere Belastung der Beziehungen". Sie sollten "reinen Tisch machen." Die Opposition sprach von einem "Sumpf, den es trockenzulegen gilt". Alle sind aber eher ratlos, was die deutsche Regierung konkret tun kann.

Kenner wissen: Alle (außer den Deutschen) spionieren auch "Freunde" aus, sogar engste wie USA und Israel und Frankreich die deutschen. Der so erhoffte Wissensvorsprung (militärisch unbedeutend) soll Einschätzungen und Reaktionen erleichtern. Und die elektronische Super-Überwachung in NSA-Art wendet auch echte Gefahren ab, die in der Masse abgehörter Bürger lauern – auch in Deutschland.

Doch die USA schießen weit(er) über das Ziel hinaus: Für die Merkel-Regierung und nicht nur mehr die Opposition ist nun jede Verhältnismäßigkeit aus dem Lot. Die neue Demütigung setzt die Kanzlerin unter Handlungsdruck, will sie nicht hilflos und konfliktscheu wirken.

Berlin profitiert von den US-Diensten zwar mehr als umgekehrt. Doch die Kränkung durch die von Obama autorisierten Dienste schürt den Antiamerikanismus Daten-sensibler Deutscher: Sie schadet viel mehr als sie nutzt.

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