Verbot wegen Glorifizierung von „Mord und Terror“

Koran-Verteilaktion
Hausdurchsuchungen und Vereinsverbot: Der Verein der Koran-Verteiler von "Lies!" wurde in Deutschland verboten.

Über 200 Wohnungen und Büros in zehn Bundesländern hat die deutsche Polizei Dienstagmorgen durchsucht. Sie wurden von Anhängern des salafistischen Vereins „Die wahre Religion“ genutzt, die der deutsche Innenminister Thomas De Maiziére nun verboten hat.

Was ist „Die wahre Religion“?

Der Verein wurde 2011 in Deutschland gegründet und ist nach eigenen Aussagen mittlerweile in zehn europäischen Ländern aktiv, darunter auch Österreich. Bekannt wurde er durch die Verteilung von Gratis-Koranausgaben auf Deutsch unter dem Motto „Lies!“, mittlerweile verteilt der Verein den Koran in sieben verschiedenen Sprachen und hat nach Eigenangabe bereits 1,6 Millionen Koran-Exemplare allein in Deutschland verteilt. Mittlerweile ist die Homepage, auf die sich diese Angaben stützen, offline.

Wer steht hinter „Die wahre Religion“?

Gründer des Vereins ist der 1964 geborene Palästinenser Ibrahim Abou-Nagie, der mit 18 Jahren nach Deutschland kam. Er arbeitete mit dem bekannten salafistischen Prediger Pierre Vogel, befürwortet den Dschihad und die Todesstrafe für Homosexuelle. Bereits 2011 wurde er wegen Aufrufs zu Straftaten und Störung des religiösen Friedens angeklagt, die Ermittlungen wurden damals eingestellt. Auch Ermittlungen zum Verbot des Vereins (2012) und Anstiftung zum Mord (2013) wurden zunächst eingestellt; verurteilt wurde er im Februar 2016 wegen gewerbsmäßigem Betrug. Die Haftstrafe wurde auf Bewährung ausgesetzt, wo sich Abou-Nagie aktuell aufhält, ist nicht bekannt – vermutet wird er von Ermittlern in Malaysia.

Was ist eigentlich Salafismus?

Der Begriff „Salafisten“ geht auf mittelalterliche islamische Texte zurück. „Al-Salaf al-Salih“ bedeutet die „verehrungswürdigen Vorfahren“. Im religiösen Sinn bezieht sich dies auf die ersten drei Generationen frommer Muslime, die während und nach der Zeit, als dem Propheten Mohammed der Koran offenbart wurde, gelebt hatten. Diese Muslime - die „Gefährten des Propheten“ (Sahabah) - sollen genau im Einklang mit dem „wahren Islam“ gelebt haben. Die Bewegung des Salafismus will somit eine Rückkehr zu den angeblichen Wurzeln des Islam und die Wiederherstellung der traditionellen Glaubensregeln. Die radikalen Islam-Vertreter interpretieren den Koran in ihrem Sinne und berufen sich auf jene Suren, in denen zum Kampf und zur Vernichtung der Ungläubigen aufgerufen wird.

Der deutsche Inlandsgeheimdienst bezifferte die Zahl radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland bis Ende Oktober auf 9.200. Es radikalisieren sich dabei immer mehr junge Menschen. Motor der Radikalisierung ist oft das Internet. Eine autoritäre Erziehung, innerfamiliäre Gewalt und soziale Unsicherheit verstärken Studien zufolge die Bereitschaft junger Menschen, selbst gewalttätig zu werden und sich von Islamisten vereinnahmen zu lassen.

Warum wurde der Verein nun verboten?

Die Werbung für den Islam, sagte der deutsche Innenminister De Maiziére, sei lediglich ein Vorwand, um „Hassbotschaften und verfassungsfeindliche Ideologien“ zu verbreiten und Jugendliche mit „Verschwörungstheorien zu radikalisieren“. Mehr als 140 junge Menschen seien nach der Teilnahme an „LIES“-Aktionen nach Syrien oder in den Irak ausgereist, um sich dort dem Kampf extremistischer Gruppierungen wie dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen. Der Verein „glorifiziere Mord und Terror“, sagt De Maiziére.

Worauf stützt sich das Verbot?

In Deutschland ist im Vereinsgesetz geregelt, wann ein Verein verboten werden kann, nämlich wenn „seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet“. Nach dem Verbot des Vereins „Kalifatstaat“ 2001 sei das aktuelle Verbotsverfahren das zweitgrößte in der Bundesrepublik Deutschland. De Maiziére begründete das Verbot so: „Verboten wird der Missbrauch einer Religion durch Personen, die unter dem Vorwand, sich auf den Islam zu berufen, extremistische Ideologien propagieren und terroristische Organisationen unterstützen.“ Seit in Kraft treten des Vereinsgesetzes 1964 hat das Innenministerium 15 rechtsextremistische und eine nicht näher bezifferte Vielzahl an islamistischen Vereinen in Deutschland verboten.

Was bedeutet das Verbot?

Der Verein wird aufgelöst, das Vereinsvermögen wird beschlagnahmt und für gemeinnützige Zwecke verwendet. Es dürfen keine Ersatz- oder Nachfolgeorganisationen gegründet werden oder seine Kennzeichen verwendet werden – wer es dennoch tut, macht sich strafbar.

Wird der Verein jetzt in Österreich auch verboten?

Aktuell nicht. Der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck sagte zur APA, die Aktivitäten des Vereins würden vom Verfassungsschutz „aufmerksam beobachtet“. Ein Vereinsverbot ist im österreichischen Vereinsgesetz auch nicht vorgesehen, lediglich eine „Auflösung“. Mit Bescheid kann ein Verein aufgelöst werden, wenn er „gegen Strafgesetze verstößt, seinen statutenmäßigen Wirkungskreis überschreitet oder überhaupt den Bedingungen seines rechtlichen Bestands nicht mehr entspricht.“

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