USA und Russland verhandelten in Wien über letzten Abrüstungsvertrag
Nach rund zehn Stunden sind die Gespräche zwischen den USA und Russland über die Rettung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrags "New Start" am Montagabend in Wien zu Ende gegangen. Über Ergebnisse des Treffens im Palais Niederösterreich gab es im Anschluss kaum Informationen. Experten hatten keinen Durchbruch in Wien erwartet.
US-Verhandlungsführer Marshall Billingslea berichtete auf Twitter über "sehr positive" Gespräche und eine prinzipielle Einigung auf eine zweite Runde.
Das New-Start-Abkommen läuft im Februar 2021 aus. Russland zeigte sich bereit für eine Verlängerung des Vertrags. Washington stellt das Abkommen indes in Frage. Die USA beharrten zuletzt auf einer Beteiligung Chinas an den Gesprächen. Dies lehnte China jedoch ab. Auch Russland zeigte sich über das Ansinnen verwundert.
Flaggenstreit
Am Rande des Treffens kam es zu einem Flaggenstreit zwischen USA und China. Billingslea, der US-Sondergesandte für Rüstungskontrolle, verbreitete auf Twitter nämlich ein Foto vom Verhandlungstisch. Auf dem Bild sind leere Plätze zu sehen mit vier kleinen chinesische Fahnen. "China ist ein No-Show", schrieb Billingslea über die Abwesenheit Chinas bei den Gesprächen. Peking verstecke sind hinter einer "großen Mauer der Geheimhaltung".
Der Generaldirektor der Rüstungskontrollabteilung im chinesischen Außenministerium, Fu Cong, antwortete prompt. "Was für eine seltsame Szene! Chinesische Nationalflaggen ohne Zustimmung Chinas an einem Verhandlungstisch zeigen!", schrieb Fu Cong und wünschte viel Glück bei der Erweiterung des New-Start-Abrüstungsvertrags. "Fragen Sie sich, wie tief können Sie gehen?" Chinas diplomatische Vertretung in Wien teilte Billingsleas Foto mit der Bildunterschrift: "US-Performance-Kunst?"
Billingslea wollte sich am Dienstag vor Journalisten zu den Gesprächen äußern. Das russische Außenministerium veröffentlichte bereits am Montagabend ein nüchternes Statement. "Im Einklang mit dem Auftrag der Präsidenten" hätten sich beide Seiten über Waffenkontrolle ausgetauscht. Dabei sei es um die Verlängerung des New-Start-Abkommens und über Sicherheitsfragen gegangen, erklärte das Ministerium in Moskau. Noch vor dem Treffen hatte sich der russische Verhandlungsführer, der stellvertretende Außenminister Sergei Rjabkow, gegenüber Journalisten zurückhaltend, aber hoffnungsfroh geäußert: "Mal sehen, mal sehen. Wir sind immer sehr hoffnungsvoll."
Nach dem Ende des INF-Abrüstungsabkommens über das Verbot landgestützter atomarer Kurz- und Mittelstreckenwaffen droht nun dem nächsten Abkommen das endgültige Aus. Der 2011 in Prag von den damaligen Präsidenten Barack Obama und Dmitri Medwedew unterzeichnete New-Start-Vertrag sieht vor, die Nukleararsenale Russlands und der USA auf je 800 Trägersysteme und 1.550 einsatzbereite Atomsprengköpfe zu verringern.
Russland und die USA verfügen über rund 90 Prozent der Atomwaffen weltweit. Von insgesamt 13.400 Atomwaffen, die es nach Schätzung von SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) gibt, besitzen die USA etwa 5.800 und Russland ca. 6.300. China hat laut Experten zwar zuletzt aufgerüstet, verfügt jedoch über rund 320 Atomwaffen.
Warnen vor Wettrüsten
Mehrere Experten warnen unterdessen vor einem Wettrüsten. "Es kann in Wien schon explodieren", sagte Politikwissenschafter Heinz Gärtner im APA-Interview. Während Russland ein Interesse an einer Verlängerung des Vertrags habe, käme Trump ein Scheitern wahltaktisch eher gelegen. Der US-Präsident habe außenpolitisch bisher nämlich nur gepunktet, "indem er Verträge gekündigt hat", betonte der Wiener Universitätsprofessor.
"Sehr negative" Konsequenzen hätte ein Auslaufen des Vertrags auch für Europa, erklärte Generalmajor Johann Frank. Die Europäische Union sei auf dieser "Ebene überhaupt kein eigener Akteur" und "im erheblichen Ausmaß abhängig" von der "Einhaltung des Völkerrechts, eines globalen strategischen Ordnungsrahmen und von gewissen Grundregeln", betonte der frühere langjährige Direktor der Sicherheitsdirektion im Verteidigungsministerium.
Lob für Wien
Gastgeber für die Wiener Gespräche zwischen Billingslea und Rjabkow war das österreichische Außenministerium. Sowohl die USA als auch Russland dankten Österreich für seine Rolle. "Österreich bleibt DER Platz für den internationalen Dialog", twitterte die US-Botschaft in Wien. Und die Ständige Vertretung Russlands betonte: "Wien beweist sich einmal mehr als zuverlässiger Tagungsort".
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) seinerseits hofft auf den Beginn eines Prozesses. "Das Beste wäre, dass dieses Treffen in Wien der Beginn eines Prozesses ist, der beide Staaten wieder regelmäßig an einen Tisch bringt", sagte Schallenberg am Montag bei einem Besuch in Ljubljana. "Jeder Dialog zwischen Russland und den Vereinigten Staaten im Abrüstungsbereich muss uns allen ein willkommener sein, haben wir doch in den letzten Jahren eine Phase erlebt, wo viele Instrumente im Abrüstungsbereich de facto infrage gestellt, wenn nicht aufgekündigt wurden."
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