USA: Erst Waffenstopp, jetzt doch Lieferung an die Ukraine?

NATO Summit - Day 2
Wie Donald Trumps Zickzackkurs im Krieg der Russen gegen ihren Nachbarn beide Seiten schwindelig macht.

Zwischen dem, was Donald Trump über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sagt, und dem, was seine Regierung offen oder im Hintergrund dagegen tut (oder unterlässt), liegen oft Welten. 

Der Zickzack-Kurs des amerikanischen Präsidenten, der sich einerseits über die nicht vorhandene Friedensbereitschaft Wladimir Putins beklagt, andererseits aber Kiew bis dato die nötigen Instrumente für eine wirksame Gegenwehr verweigert, hat zuletzt ein noch höheres Drehmoment erfahren. Allerjüngster Stand: „Wir müssen mehr Waffen in die Ukraine schicken”, sagte Trump am Dienstagabend, „Sie müssen sich verteidigen.” Wie bitte?

Noch am vergangenen Freitag so es so aus, als würde sich Washington aus der Vermittlerrolle zurückziehen und Moskau durch das Zurückhalten längst autorisierter Waffenlieferungen an Kiew freie Bahn gewähren. 

Dann folgte am Sonntag eine Kehrtwende. Trump erwog dem intensivierten russischen Bombardement ukrainischer Zivilisten durch die Lieferung von Patriot-Abwehr-Raketen entgegenzutreten. „Sie werden sie zur Verteidigung brauchen. Sie werden etwas brauchen, weil sie ziemlich hart getroffen werden”, sagte der US-Präsident.

Auch wenn es von Trump bisher keine klare Lieferzusage gibt, stehen die Äußerungen in krassem Kontrast zu dem, was sich vor wenigen Tagen im Pentagon abgespielt hatte.

Hegseth verfügte Lieferstopp 

Mit der Begründung, man müsse wegen schwindsüchtig gewordener Lagerbestände mit Waffen und Munition haushalten, verfügte Verteidigungsminister Pete Hegseth einen Lieferstopp für Kriegsgerät, auf das Kiew bitter angewiesen ist, um sich russischer Angriffe zu erwehren. 

Merkwürdigkeit dabei: Die 155-mm-Artilleriegeschosse, die Stinger-, AIM-7- und Hellfire-Raketen und vor allem die Abfangraketen für Patriot-Luftabwehrsysteme stammten noch aus von Trump-Vorgänger Joe Biden genehmigten Hilfspakten und waren bereits fertig zur Auslieferung nach Polen verbracht worden. 

Hegseths strategisches Gehirn im Pentagon, Elbridge Colby, ein Mann, der Ukraine-Hilfen gerne zugunsten von Anti-China-Maßnahmen nachhaltig reduzieren würde, setzte die Zwangspause jedoch auf so dünnem Eis durch, dass die ganze Chose schnell einbrach.

Wie hochrangige demokratische und republikanische Kongress-Abgeordnete öffentlich erklärten, waren die angeblichen Engpässe bei den US-Lagerbeständen frei erfunden. Hegseth soll den Ukas an allen nötigen Instanzen (Parlament, Außenministerium) vorbei auf eigene Karte durchgesetzt haben. Auch Trump, so berichtet das „Wall Street Journal”, wurde vorab nicht informiert.

Wie dem auch sei: Trump vollzog den brisanten Waffenstopp bisher nicht nach. In einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij sagte der 79-Jährige nach Medien-Angaben, dass Colby & Co. hinter seinem Rücken agiert hätten. Er selber könne sich die Bewilligung von Patriot-Raketen, die Kiew enorm gegen die Vorboten einer brutalen russischen Sommer-Offensive helfen würde, durchaus vorstellen.

Käme es so, wäre Hegseth, der seit Amtsantritt einen Fehltritt nach dem anderen begangen hat, erneut desavouiert. Was Trump nicht weiter bekümmert, solange seine eigene Wackel-Position in einem Konflikt, den er vorgab binnen 24 Stunden befrieden zu können, mal nicht im Vordergrund steht. 

"Keinerlei Fortschritt" mit Putin 

Aber genau dazu trägt Trump durch fast jede seiner Äußerungen bei. So bilanzierte er das sechste Telefonat mit Putin seit Amtsantritt am vergangenen Freitag geradezu hilflos klingend: „Ich habe keinerlei Fortschritt mit ihm gemacht. Ich sage nur, ich glaube nicht, dass er aufhören (den Krieg beenden, Anm.) will, und das ist schade.” Später ergänzte Trump:  „Ich war sehr unzufrieden mit meinem Telefonat mit Präsident Putin. Er will bis zum Ende gehen und einfach weiter Menschen töten – das ist nicht gut.”

Im Anschluss suchte Trump den Kontakt zu Selenskij. Hier klang das Resümee entschieden positiver. Trump sprach von einem „sehr strategischen Gespräch”. Der ukrainische Präsident erklärte sogar, der Talk mit Trump sei „das beste und produktivste” Gespräch gewesen, das er je mit ihm geführt habe. „Wir haben Fragen der Luftverteidigung erörtert, und ich bin dankbar für die Bereitschaft zur Hilfe. Das Patriot-System ist genau der Schlüssel zum Schutz vor ballistischen Bedrohungen”, sagte Selenskij.

Trump nehme „erschreckend klaglos” hin, dass der Kreml-Herrscher ihn  „regelmäßig vor den Kopf stößt”, wenn es um Bemühungen geht, über einen Waffenstillstand zu einer Friedenslösung in der Ukraine zu kommen, sagen unterdessen Kongress-Abgeordnete beider Parteien und wünschen sich eine härtere Hand gegenüber Moskau. 

Selbstbewusst erklärte Putin in dem einstündigen Telefonat Ende vergangener Woche indirekt, dass Russland an seinem Kriegsziel festhalten werde - die Unterwerfung der Ukraine. Dennoch zögert Trump weiter, ein im Senat zustimmungsreifes Sanktions-Regime freizugeben, dass Russlands Kriegsmaschine finanziell drastisch ausbremsen könnte. Mehr als den Satz, dass Putin verstehe, dass die Sanktionen „kommen könnten”, lässt er sich bisher nicht entlocken.

Dass sie wirklich kommen, glauben Russland-kundige Beobachter in Washington nicht. Eher das Gegenteil sei der Fall, heißt es. Die Trump-Regierung lasse bestehende Sanktionen gegen Moskau klammheimlich auslaufen. Was dazu führe, so die "New York Times", dass sich Russland über neue Scheinfirmen mit wichtigen militärischen Komponenten im Ausland versorgen könne. 

Wie das alles zu Trumps taufrischer Ankündigung passt, der Ukraine kurzfristig weitere Waffenlieferungen zu bewilligen, weiß noch niemand.

Kommentare