50.000 Soldaten zusammengezogen, Waffen und Gerät gesammelt, ein Verhältnis von 3:1 gegenüber den ukrainischen Soldaten – die Zeichen für eine intensivierte russische „Sommeroffensive“ mehren sich im Raum Sumy. Dort, wo vergangenen Sommer die missglückte ukrainische Kursk-Offensive begonnen hatte. Seit Wochen erhöhen die Russen dort den Druck auf die Ukrainer, konnten einige Gebiete (208 Quadratkilometer) erobern.
Furcht vor Großangriff
Zwar werden sie derzeit von den ukrainischen Streitkräften noch aufgehalten und in manchen Abschnitten leicht zurückgedrängt. Die Angriffe werden jedoch nicht aufhören – im Gegenteil. Das offizielle Ziel des Kreml ist es, eine „Pufferzone“ auf ukrainischem Gebiet zu errichten. Immer wieder kommen noch berdohlichere Signale: „Als nächstes kommt die Stadt Sumy, das regionale Zentrum. Wir haben es uns zwar nicht zur Aufgabe gemacht, Sumy einzunehmen, aber ich schließe es nicht aus“, sagte Präsident Wladimir Putin unlängst auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg und schürte damit in Kiew erneut Befürchtungen vor einer groß angelegten Offensive.
Ob diese bereits im Gange ist oder erst „offiziell“ startet, darüber sind sich Beobachter uneins. Fakt ist, dass Russland seine Angriffe seit Mai intensiviert hat und so viel ukrainisches Gebiet einnimmt wie seit Dezember 2024 nicht.
Insgesamt 700.000 russische Soldaten sollen derzeit in der Ukraine kämpfen, nicht nur in der Oblast Sumy konzentrieren sie ihre Kräfte: Auch die Stadt Kupjansk gerät immer mehr unter Druck – die russischen Streitkräfte haben einen Brückenkopf westlich des Oskil-Flusses errichtet. Laut ukrainischen Militärbeobachtern schafften sie in den vergangenen Tagen Sturmeinheiten über den Fluss. Sollte es den russischen Streitkräften gelingen, Kupjansk einzunehmen, drohen Kiew weite Gebietsverluste in Richtung Charkiw.
Druck im Donbass
Am stärksten üben die russischen Streitkräfte allerdings ihren Druck im Donbass aus: Unter hohen Verlusten gelang es ihnen, zwischen Toretsk und Pokrowsk einzubrechen und Kurs auf die Stadt Kostjantjniwka zu nehmen. Seit einigen Tagen steht die Front dort mehr oder weniger, die Kämpfe finden dort aber mit äußerster Brutalität statt.
Wiewohl die Verluste in den russischen Reihen hoch sind, zeichnen sie sich auch in den Reihen der Ukraine ab: Laut einem ukrainischen Offizier gibt es Frontabschnitte, an denen nur mehr zehn bis zwölf Soldaten für fünf Kilometer verantwortlich sind. „Die Verteidigung wird von Fahrern, Kanonieren und Köchen gehalten. Aber auch sie sind fertig. 25 Prozent des Personals in den Bataillonen sind noch übrig“, schrieb er auf X. Grundsätzlich übte er starke Kritik an der militärischen Führung. Es handle sich „teilweisen Mangel“, sondern eine „systemische Katastrophe“ in den ukrainischen Streitkräften. Das müsse „die Spitze“ zugeben.
Das härteste Schlachtfeld
Der seit mehr als drei Jahren tobende Abnützungskrieg zeigt aus Sicht Moskaus also Wirkung. Und gelingt es den russischen Truppen, im Donbass weiter vorzurücken, ist Pokrowsk von einer weiteren Richtung aus bedroht.
Zudem sollen die russischen Streitkräfte der Stadt Kramatorsk immer näher kommen. Der Zweck dahinter? Russland ist nach wie vor überzeugt, die Zeit auf seiner Seite zu haben. Mit der Einnahme von Pokrowsk und Kramatorsk – vor allem bei Letzterem dürfte das noch eine lange Zeit dauern – hätte Russland fast alle großen Städte im Oblast Donezk besetzt.
In dieser Situation wird Russland weiterhin auf seinen Forderungen beharren, die neben der Aufgabe der vier Oblaste Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischjia und der Krim höchstwahrscheinlich auch eine prorussische Regierung in Kiew beinhalten. Das ist für Kiew – und auch den Großteil der Ukrainer – inakzeptabel.
Trump zögert
Die einzige Macht, die diesen russischen Druck verhindern kann, sind die USA. Doch nach wie vor gibt sich US-Präsident Donald Trump unentschlossen, laviert zwischen Druck auf Putin und Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij.
Gleichzeitig ist es aus aktueller Sicht illusorisch, dass Russland alle vier Oblaste, die es fordert, in absehbarer Zeit einnehmen kann. 0,6 Prozent der ukrainischen Landfläche haben die Russen im vergangenen Jahr erobert – unter massiven Verlusten.
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