Über die schwimmende Plattform sollten täglich Hilfsgüter in den Gazastreifen gebracht werden. Doch das Projekt wurde zum PR-Schaden für das US-Militär.
Es hätte ein Achtungserfolg für das US-Militär sein sollen, ein Zeichen der Unterstützung für die Zivilbevölkerung auf dem Gazastreifen und eine deutliche Kritik an der brutalen Kriegstaktik des langjährigen Verbündeten Israel. Stattdessen wurde es ein Fiasko.
Vier Monate ist es her, dass ein sichtlich geladener US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus den Plan verkündet hat, einen temporären Hafen an die Küste des Gazastreifens bauen zu wollen, um von dort aus Hilfslieferungen ins Landesinnere bringen zu können.
Hafen soll in wenigen Tagen endgültig abgebaut werden
Doch das Projekt hatte von Anfang an mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. Insgesamt kostete der temporäre Hafen das US-Militär mehr als 320 Millionen US-Dollar, dabei konnten dort nur in etwa 500 Lkw-Ladungen an Hilfsgütern angenommen werden - so viele, wie am Grenzübergang Rafah vor Ausbruch des Krieges an einem einzigen Tag ankamen.
Heute, so berichtete die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf hochrangige Quellen aus dem US-Militär, soll die Entscheidung gefallen sein, den Hafen endgültig wieder abzubauen. Es ist ein Fehlschlag auf ganzer Linie.
Aber wie hätte das Projekt eigentlich funktionieren sollen? Und was hat dazu geführt, dass es so krachend gescheitert ist?
Wie hätte der temporäre Hafen funktionieren sollen?
Zunächst klingt die Idee relativ einfach: Man verbindet etliche Pontons, also hohle Schwimmkörper, in diesem Fall aus aneinandergeschweißtem Stahl, und baut damit eine große Plattform auf der Wasseroberfläche. Sie wird mit einem Anker am Meeresboden befestigt.
An diese Plattform baut man einen Steg - ebenfalls aus Pontons -, der die Plattform mit der Küste verbindet. Und schon hat man einen schwimmenden Hafen.
In Wahrheit verbirgt sich dahinter ein hochriskantes militärisches Manöver, in den USA "Joint Logistics Over-the-Shore" (gemeinsamer Transport über die Küste), kurz "JLOTS", genannt.
So hätte der temporäre Hafen vor dem Gazastreifen funktionieren sollen
Man muss sich das so vorstellen: Schwere Frachtschiffe bringen Container voller Hilfsgüter zu einer großen Ponton-Plattform in tiefem Gewässer, wo sie auf Lkw und Militärfahrzeuge umgelagert werden. Ein kleineres, für seichtere Gewässer geeignetes Frachtschiff holt diese Fahrzeuge ab und bringt sie zu einer kleineren Landungsplattform vor der Küste.
Ein LkW fährt über den Landungssteg des temporären Hafens. Größere (Militär-)Fahrzeuge müssen mit einer schwimmenden, steuerbaren Plattform an Land gebracht werden.
Besonders erfolgreich war man derartigen JLOTS-Operationen im Zweiten Weltkrieg, als es gelang, die US-Soldaten nach dem "D-Day" an der Küste der Normandie wochenlang mit Nachschub zu versorgen.
Doch schon damals gab es Probleme, im Grunde gibt es die immer bei JLOTS-Operationen. Vor allem dann, wenn die Ponton-Plattformen hohem Gewicht und unruhiger See ausgesetzt sind. Beides ist vor der Küste des Gazastreifens gegeben.
Hafen brach mehrfach auseinander, Soldaten sollen gestorben sein
Schaukeln die Pontons durch den rauen Wellengang hin und her, können die Fahrzeuge oder Container umstürzen, die Fracht wiegt oftmals mehrere Tonnen. Wie US-Soldaten anonym gegenüber AP berichten, soll es vor Gazas Küste schon zu Unfällen mit Todesfolge gekommen sein.
Bestätigt ist, dass der temporäre Hafen erst am 17. Mai den Betrieb aufnahm und schon nach einer Woche die Hauptplattform wegen des rauen Wellengangs von der Landungsbrücke abbrach. Hunderte Tonnen an Lebensmitteln fielen ins Wasser und wurden wertlos.
Am 28. Mai musste der temporäre Hafen deshalb abgebaut und zur Reparatur in den israelischen Hafen von Ashdod gebracht werden. Am 7. Juni installierte ihn das US-Militär erneut an der Küste des Gazastreifens, doch die Probleme dauerten an. Am 15. Juni baute man Plattform und Landebrücke wieder ab.
Zwei Satellitenbilder zeigen, wie der temporäre Hafen am 12. Juni noch vor der Küste des Gazastreifens angebracht ist - und wie er am 15. Juni zum zweiten Mal abgebaut wurde.
Auf dem Landweg sind Lieferungen in den Gazastreifen kaum noch möglich
Insgesamt war der Hafen damit weniger als 20 Tage im Einsatz. Heute soll er ein letztes Mal installiert werden, allerdings nur noch so lange, bis der Rest der noch auf Zypern eingelagerten Hilfsgüter an Land gebracht wurde. Dann, voraussichtlich in wenigen Tagen, ist endgültig Schluss.
Für die rund 2,3 Millionen Palästinenser ist das eine Hiobsbotschaft. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) ist mehr als ein Viertel der Zivilbevölkerung im Gazastreifen dem Hungertod nahe.
Tausende warteten an der Küste des Gazastreifens auf Hilfsgüter, die am temporären Hafen des US-Militärs ankommen sollten. Die meisten warteten vergeblich.
Über den Landweg sind Hilfslieferungen kaum noch möglich, da die israelische Armee noch immer im Grenzort Rafah aktiv ist.
Die Zahl der Lkws, die über die beiden verbliebenen Grenzübergänge bei Keren Shalom und Erez West in das Kriegsgebiet fahren durften, hat sich deshalb von 756 im Juni auf gerade einmal 18 in den ersten zehn Tagen des Juli verringert.
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