23 Jahre ist es her, dass der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Komplexität und Unsicherheit in Fragen über Krieg und Frieden so formulierte: "Es gibt bekannte Bekanntes. Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Es gibt bekannte Unbekannte. Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie nicht wissen. Und es gibt unbekannte Unbekannte – Dinge, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen."
Was heißt das für die möglicherweise kurz bevorstehende Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, an der Seite Israels militärisch den Iran anzugreifen.
5 Risiken im Überblick:
Die militärischen und strategischen Risiken
Um das Kernziel zu erreichen, die Zerstörung der unterirdischen Atomanlage Fordo, müssen B-2-Bomber aus Missouri oder von der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean nach dem Betanken in der Luft 30.000 Pfund schwere Bunkerbrecher-Bomben ins Ziel bringen, die noch nie (!) unter Echtzeit-Bedingungen zum Einsatz gekommen sind.
Auch wenn alle mit dem Thema befassten US-Stellen keinen Zweifel haben, dass amerikanische Piloten in amerikanischen Spezial-Flugzeugen mit amerikanischen Bomben diese Aufgabe lösen können - eine Garantie dafür, dass die Detonation die Atomanlage irreparabel zerstört, gibt es nicht.
Und: Was, wenn eine B-2 abgeschossen würde? Was, wenn die Zielkoordinaten marginal falsch sind und selbst die (unterhalb von Atomwaffen) größte konventionelle US-Bombe den Fels von Fordo und damit die Uran-Zentrifugen-Hallen nicht tief genug penetrieren kann? Noch schlimmer: Es gibt Spekulationen, dass der Iran Teile seines Atomprogramms outgesourct hat - nach Nordkorea. Sollte das stimmen, wäre die Bombardierung überflüssig gewesen. China, Russland und europäische Partner, die auf eine Verhandlungslösung pochen, würden sich noch weiter von den USA entfernen.
Die Vergeltung
Würden US-Bomber in Fordo das "Herzstück" des iranischen Atomprogramms neutralisieren, wäre eine harte iranische Antwort vorprogrammiert. US-Truppen in der Golf-Region würden zur Zielscheibe, das hat Teheran bereits angekündigt. Nach inoffiziellen Pentagon-Angaben sind zurzeit etwa 13.500 US-Soldaten in Kuwait, 10.000 in Katar, 9.000 in Bahrain und 2.500 im Irak stationiert.
Alles Ziele, die von iranischen Raketen erreicht werden können. Trotz hoher Sicherheitsvorkehrungen sind Verluste in diesem Fall nicht auszuschließen. Bilder von toten GI's im Wüstensand könnten für Trump in die politische Katastrophe führen. Zur Erinnerung, auch wenn die Umstände nicht zu vergleichen sind:
1980 geriet Präsident Jimmy Carter in den politischen Treibsand, nachdem im Iran der Versuch zur Befreiung von Geiseln scheiterte. Hubschrauber, die bei der geheimen Mission eingesetzt wurden, stürzten ab. Acht US-Soldaten kamen ums Leben. Noch dramatischer könnten die Konsequenzen heute sein, würde der Iran direkt, durch assoziierte Terror-Gruppen oder Schläferzellen ("einsame Wölfe") im Westen Zivilisten ins Visier nehmen und Anschläge in den USA oder Europa initiieren.
Trump müsste nach herrschender Logik massiv Rache üben. Dies würde eine Eskalationsspirale in Gang setzen, an deren Ende ein neuer Zyklus antiwestlicher Radikalisierung stehen könnte. Noch gar nicht berücksichtigt: Auch der Iran verfügt über eine Cyber-Armee, die in den digitalen Netzen Sabotageakte starten könnte. Ein US-Angriff könnte den gesamten Nahen Osten destabilisieren, ein regionaler Krieg mit unüberschaubaren Folgen wäre nicht auszuschließen.
Versuchung "regime change"
Israel will sich offenkundig nicht mit der Neutralisierung des Atomprogramms begnügen. Es will - siehe die vielen gezielten Tötungen von "Säulenheiligen" des Machtapparats - das seit 1979 regierende Theokraten-Regime in Teheran stürzen. Mit "regime change" hat Amerika - siehe Kabul und Bagdad - verheerende Erfahrungen gemacht. In Teheran fehlt eine funktionierende Opposition, aus der sich zügig ein Hoffnungsträger aufbauen ließe, würde das Volk die Mullahs zum Teufel jagen.
Überhaupt: Wer würde die derzeitige Führung um den greisen Ajatollah Ali Khamenei ersetzen, und welche Legitimität hätte diese neue Führung? Wie käme sie überhaupt zustande? Was, wenn das Militär putscht? Würden die USA Schiedsrichter/Moderator sein wollen, wenn an diesem Punkt die Meinungen in einem seit Jahrzehnten drangsalierten 92 Millionen-Einwohner-Volk auseinandergehen? Trumps Maga-Wählerbasis will damit nichts zu tun haben. Sie hat die "ewigen Kriege" satt. Trump könnte sogar darüber stürzen, sagen Republikaner in Washington.
Die Heimatfront
Der Kongress drängt darauf, gemäß Verfassung ein Wort mitzureden, bevor der Präsident den Einsatzbefehl gibt. Klare Mehrheiten sind nicht zu erkennen. Viele Parlamentarier sind skeptisch, weil Umfragen eindeutig zeigen, dass eine US-Beteiligung im Iran in der Bevölkerung herzlich unbeliebt ist - Langzeitwirkung der unter dem Strich als gescheitert zu bezeichnenden Kriege in Afghanistan und im Irak. Der Riss geht auch quer durch die politische Maga-Machtbasis Trumps in der republikanischen Partei.
Influencer wie Steve Bannon und Tucker Carlson warnen seit Tagen, dass Trump mit dem Einsatzbefehl ein zentrales Wahlkampfversprechen - keine militärischen Auslandseinsätze mehr - verletzen und seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen würde. Spätestens bei den Kongress-Wahlen im Herbst 2026 könnte Trump der Rückhalt in der eigenen Bewegung entgleiten. Ein Bruch mit dieser Kernklientel könnte die Chancen der Republikaner bei der Präsidentschaftswahl 2028 schmälern.
Der Ölpreis
Seit Beginn der israelischen Angriffe ist der Ölpreis um rund 10 Prozent gestiegen. Ein anhaltender Preisanstieg würde die Industrie belasten und die Inflation ankurbeln. Die Straße von Hormus, die entlang der iranischen Küste verläuft, ist ein zentraler Transportweg für etwa ein Fünftel der weltweiten Ölvorräte. Würde die Wasserstraße vermint oder würden dort Tanker unter Feuer genommen, wäre die Weltwirtschaft betroffen.
Der Preis für Benzin und Energie könnte rasant steigen – mit unmittelbaren Folgen für die US-Wirtschaft und den Geldbeutel der Verbraucher. Das könnte Trump innenpolitisch massiv schaden.
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