Viel Geld und heiße Trump-Luft: 7 Erkenntnisse aus dem EU-USA-Zollabkommen

U.S. President Trump visits Scotland
Das Abkommen enthält schmerzhafte Kompromisse für Europas Industrie und lässt die Türen für die US-Landwirtschaft nach Europa weit offen.

Es war "der beste Deal, den wir kriegen konnten - in diesen sehr schwierigen Zeiten", so rechtfertigte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic die vorläufige Einigung, die US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Sonntag getroffen haben: "Als wir den Raum betreten haben, waren es noch 30 Prozent."

Die Kritiker geben sich von solchen Erklärungen unbeeindruckt. Europa habe sich über den Tisch ziehen, erpressen lassen, so lauteten die Kommentare in internationalen Medien, aber auch von einigen EU-Politikern. Was aber ist in Schottland wirklich vereinbart worden, was steht vorerst fest, was wird in den kommenden Tagen noch verhandelt werden und was bedeutet das alles für Europas und damit Österreichs Wirtschaft. Der KURIER gibt die Antworten auf die wichtigsten Fragen

1. Welche Produkte trifft es? 

15 Prozent Basis-Zoll werden grundsätzlich für Waren aus der EU eingehoben.  Das umfasst nach ersten Schätzungen in Brüssel, rund 70 Prozent der EU-Exporte und eine Summe von etwa 380 Milliarden Euro jährlich.

Davon erfasst sind vor allem Autos, Maschinen, Lebensmittel und Produkte der chemischen Industrie aus der EU. Bei Medikamenten und medizinischen Geräten - sie gehören zu den wichtigsten EU-Exportprodukten - wird noch verhandelt, aber auch da werden 15 Prozent erwartet.

2. Welche Ausnahmen gibt es? 

Auf strategisch wichtige Produkte werden von beiden Seiten keine Zölle eingehoben. Das sind vor allem Mikrochips und andere Halbleiterprodukte, Flugzeuge und Flugzeugteile. Ob auch einige Rohstoffe unter die Ausnahmen fallen, wird noch verhandelt.  Besonders hart trifft es die europäischen Stahl- und Aluminiumhersteller, für sie gelten weiterhin die von Trump eingeführten 50-Prozent-Zölle. Allerdings soll es hier bis zu einer gewissen Menge niedrige Zollsätze geben, voraussichtlich 15 Prozent.

3. Welche US-Produkte werden zollfrei?

Fast alle Produkte, die aus den USA nach Europa exportiert werden, sind in Zukunft zollfrei. Die wichtigsten davon sind Waren aus Landwirtschaft und Fischerei, also alle von Nüssen und Käse bis zu Fischen und Meeresfrüchten, aber auch Soja und andere Futtermittel. Zollfrei sind auch Düngemittel und vor allem US-Autos, also auch die berüchtigten Pick up Trucks.

Illustration shows 3D-printed miniature of U.S. President Donald Trump, U.S. and EU flags and words "15% tariffs\

4. Kauft Europa jetzt mehr US-Erdgas und Waffen?

Die Verhandler haben geplante Käufe von US-Flüssiggas in der Höhe von 250 Mrd. Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Allerdings ist das keine Entscheidung, die die EU zu treffen hat, da es sich um private Geschäfte von Energiefirmen handelt. Die EU-Kommission hat aber zugesagt, dass man die Herstellung der nötigen Infrastruktur finanziell unterstützen will, also etwa Hafenanlagen, wo das Gas aus den Tankschiffen gepumpt wird. Trump hat auch angekündigt, dass die EU "massiv" US-Waffen um "hunderte" Milliarden kaufen will. Mit welchem Geld allerdings, ist vorerst völlig unklar. Die EU-Kommission hat kein Budget für gemeinsame Waffenkäufe, kann nur günstige Kredite vergeben. Also betont man, dass es hier keinerlei Vereinbarungen mit den USA gegeben hat.

5. Welche Reaktionen gibt es ? 

Die Mehrheit der Politiker in der EU regiert positiv: Deutschlands Kanzler Merz etwa: „Dieses Abkommen hat einen Handelskonflikt abgewendet, der die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen hätte." Einen ähnlichen Tonfall schlagen die meisten EU-Staats-und Regierungschefs an: Der Deal habe Schlimmeres verhindert, zumindest gebe es nun für die Wirtschaft Planbarkeit.  Nur Ungarns Premier Viktor Orban unkt: Trump habe von der Leyen "gefrühstückt".

FILE PHOTO: Volkswagen vehicles, in Edgemere, on the day of US President Donald Trump's tariff announcements

VW-Autos in den USA

Und definitiv düster reagierte Frankreichs Premier Bayrou:  „Es ist ein trauriger Tag, wenn eine Allianz freier Völker, die sich zusammengeschlossen hat, um ihre gemeinsamen Werte zu bekräftigen und ihre gemeinsamen Interessen zu verteidigen, sich mit Unterwerfung abfindet.“ Viel kritischer äußern sich hingegen Ökonomen und Wirtschaftsverbände.

6. Warum hat sich die EU so sehr in die Knie zwingen lassen?

Bei den Gesprächen mit Trump ging es - wie beim US-Präsidenten üblich - nicht nur um Handel. Vielmehr rührte er auch die US-Mitgliedschaft in der NATO, die militärische Unterstützung für die Ukraine und das Verhältnis mit China mit hinein. Bei all diesen Themen haben die USA einen langen Hebel: Europa ist ohne die USA noch lange nicht verteidigungsfähig, auch die Ukraine hängt von US-Waffenlieferungen ab und gegenüber China fahren die USA einen harten Konfrontationskurs und wollen Europa auf Linie bringen.

Eine schwierige Position für die EU, die kaum Möglichkeiten hat, um die USA unter Druck zu setzen und außerdem wirtschaftlich viel mehr von Exporten abhängig ist, sowohl in die USA als auch nach China. Außerdem gab es intern Unstimmigkeiten: Während etwa Frankreich auf mehr Härte und auf die Androhung schmerzhafter Gegenzölle drängte, bremsten Deutschlands Kanzler Merz, Italiens Premierministerin Meloni und auch EU-Kommissionschefin von der Leyen. Letztere hofften, Trump mit Kompromissen locken zu können. 

7. Welche Auswirkungen hat der Deal für die EU? Geht das BIP zurück?

Negative Folgen für die europäische Exportwirtschaft wird der Deal auf alle Fälle haben, darüber sind sich alle Ökonomen einig – nur nicht darüber, in welchem Ausmaß. Experten der Commerzbank etwa fürchten, dass die europäischen Exporte in die USA innerhalb der nächsten zwei Jahr um ein Viertel sinken werden. Denn die durchschnittlichen Einfuhrzölle werden im Vergleich zum Vorjahr um „mehr als 10 Prozentpunkte steigen“, teilte die Deutsche Bank am Montag mit. In der Bank Berenberg geht man davon aus, dass das BIP der EU heuer und 2026 jeweils um 0,3 Prozent sinken wird. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft wiederum rechnet mit einem Minus von 0,1 Prozent des BIP in der EU. Fazit: Gewinne sind aus diesem Deal für die EU auf keinen Fall zu holen.

Kommentare