Zoll-Deal zwischen USA und China: Vorerst gibt es nur Gewinner

Es hatte schon etwas martialisches, als US-Finanzminister Scott Bessent am Dienstag vor drei gewaltigen US-Flaggen saß, um nach zweitägigen Verhandlungen mit Vertretern der chinesischen Regierung eine „Einigung über eine 90-tägige Pause“ zu verkünden.
Für viele internationale Medien war es vielmehr ein „Waffenstillstand“ im Handelskrieg zwischen China und den USA.

US-Finanzminister Scott Bessent (rechts) führte die US-Delegation in den Verhandlungen mit chinesischen Vertretern in Genf an.
Der war vor fünf Wochen eskaliert, als US-Präsident Donald Trump hohe Strafzölle verkündet hatte – und sie letztlich nur gegenüber China bestehen ließ. Seither fordern die USA bei Produkten aus China schwindelerregende 145 Prozent des Preises, Peking schlug mit 125 Prozent auf US-Waren zurück.
Werte, durch die der Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt einzubrechen drohte.
USA und China senken Zölle um 115 Prozent
Ab Mittwoch werden beide Länder ihre Zollsätze um jeweils 115 Prozent senken. Chinas Regierung erklärte zudem, sie werde alle seit April beschlossenen zusätzlichen Handelshemmnisse gegenüber den USA lockern – das betrifft vor allem das Exportverbot für bestimmte Seltenen Erden.
Das ist ein deutlich besseres Ergebnis als vorab erwartet worden war. An den Börsen war die Erleichterung weltweit messbar, der US-Index S&P 500 legte umgehend um fast drei, der Nasdaq um fast vier Prozentpunkte zu.
Keine Seite hätte als erste nachgeben können
Beide Regierungen bewahren damit ihr Gesicht. Für Trump waren die Zölle ein zentrales Wahlversprechen, er hatte sich gewissermaßen selbst die Bürde auferlegt, sie zumindest kurzzeitig in Kraft setzen zu müssen. Chinas Führung zeichnet dagegen schon seit Jahren das Bild der Feinde in Washington; hätte man im Zollstreit als Erster nachgegeben, hätte das nach innen Schwäche signalisiert.
Beide Seiten bewahren zudem ihre Wirtschaften vor dramatischen Folgen. Schätzungen zufolge waren alleine durch die Zölle in China rund 16 Millionen Arbeitsplätze in Gefahr, in den USA führten sie bereits zu Engpässen bei bestimmten Produktgruppen (u. a. Elektronik, Spielzeug) und drohten, die Inflation anzuheizen.
Zu guter Letzt bestand für beide Regierungen durchaus die Gefahr, dass die Stimmung der jeweils eigenen Bevölkerung durch die Auswirkungen der Zölle hätte kippen können.
Die Zölle brachten beide Regierungen in Gefahr
In den USA galt die hohe Inflation während der Amtszeit von Joe Biden – die allerdings im Vergleich zu anderen westlichen Volkswirtschaften, die noch stärker unter den Folgen des Ukraine-Kriegs litten, niedrig ausgefallen war – als einer der Hauptgründe für die Wiederwahl Donald Trumps.
Dessen Zustimmungswerte sanken durch das Zoll-Chaos im April auf 43 Prozent. Seine Amtszeit ist zwar erst vier Monate alt, ein Wahlsieg für die Demokraten bei den Zwischenwahlen 2026 würde Trumps Handlungsspielraum in der zweiten Hälfte jedoch massiv beschränken.
Chinas kommunistische Partei muss zwar keine Abwahl befürchten, doch sie begründet ihren Herrschaftsanspruch generell mit dem Versprechen, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes stetig voranzutreiben. Gelänge das plötzlich nicht mehr, würden viele Chinesen den Mangel an persönlichen Freiheiten im Land womöglich nicht mehr in Kauf nehmen.
Erst vor zwei Jahren verdeutlichten die kurzen, aber landesweiten Proteste gegen die rigorose Null-Covid-Strategie, wie schnell das Volk aufbegehren kann, wenn es glaubt, die Partei würde nicht in seinem Sinne handeln.
Beide wollen mehr reden, driften aber weiter auseinander
Das wahrscheinlich wichtigste Ergebnis der Genfer Gespräche gab Chinas Delegationsleiter und Vize-Premier He Lifeng bekannt: Man werde einen „Mechanismus für Beratungen zu Wirtschaft und Handel einrichten“ – also einen regelmäßigen Austausch auf Ministerebene.

Chinas stellvertretender Ministerpräsident He Lifeng führte die chinesische Delegation in den Gesprächen an.
Mittelfristig bleibt der Trend der auseinanderdrifteten Großmächte bestehen. Die gegenseitigen Zölle sind auch nach der Einigung höher, als sie es vor Trumps Amtsantritt waren. Keine Seite vertraut der anderen, beide wollen ihre wirtschaftliche Abhängigkeit vom Gegenüber weiter verringern, einzig in weniger überstürztem Tempo.
Dass Xi Jinping ausgerechnet am Montag den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva in Peking empfing, unterstreicht diese These. Brasilien könnte China mit vielen Gütern beliefern, die das Land momentan aus den USA bezieht – allen voran Sojabohnen.
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