Ruhige Kugel nach dem Oval Office

"Ich würde gerne erst einmal drei, vier Monate nur schlafen", sagte Obama kürzlich
Barack Obama bleibt als erster Ex-Präsident seit Woodrow Wilson in Washington D.C. – seiner Tochter Sasha zuliebe.

"Don’t stop thinking about tomorrow." Höre nicht auf, an morgen zu denken. Der Gassenhauer von Fleetwood Mac, den einst Bill Clinton zu seiner präsidialen Wahlkampf-Melodie erkor, klingt Barack Obama immer dröhnender im Ohr. In rund 220 Tagen beginnt für den 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten ein neues Leben. Befreit von den Fesseln des Protokolls und den Zwängen eines bis auf die Minute durchgetakteten Tages wird der Hobby-Golfer und Basketball-Fan nach Amtsübergabe im nächsten Jänner in den aktiven Ruhestand treten.

Über das Wie und Wo wird in Washington vor allem deshalb so leidenschaftlich spekuliert, weil Obama als erster "Ex" seit Woodrow Wilson (1913–1921) nicht das Weite sucht. Damit Sasha, die Jüngere seiner beiden Töchter, 2018 den Abschluss an der Sidwell-Highschool (40.000 Dollar pro Jahr) machen kann, entsagen die Obamas ihrer Heimat Chicago und bleiben in D. C. Sie haben im gediegenen Diplomaten-Viertel Kalorama direkt am Rock Creek Park und einen Steinwurf von einer großen Moschee entfernt ein großzügiges Haus angemietet.

Normaler Staatsbürger

Zwei Jahre lang werden Obama und sein Nachfolger (oder seine Nachfolgerin) also gemeinsam in der gleichen Stadt sein. Womit wird der Ex-Präsident in spe seine Zeit verbringen? "Er wird ein ganz normaler Staatsbürger sein und sich entsprechend verhalten, das kann ich Ihnen versichern", sagte seine langjährige Vertraute Valerie Jarrett gerade in einem Interview. Sie reagierte damit auf das Gerücht, Obama könnte womöglich versucht sein, von der Seitenlinie aus dem Neuen mit Kommentaren in die Arbeit zu granteln. Ach was. "Ich würde gerne erst einmal drei, vier Monate nur schlafen", sagte der Noch-Amtsinhaber beim Oster-Gebet im East Room des Weißen Hauses, "wenn niemand was dagegen hat." Und dann?

Whiskey und Kegeln

Manch ein Vorgänger verfiel auf bizarre Zeitvertreibe. George Washington ging zurück nach Virginia und wurde auf seinem Landsitz in Mount Vernon einer der größten Whiskey-Brenner weit und breit. Thomas Jefferson las Plato im griechischen Original. Theodore Roosevelt begab sich auf eine einjährige Safari. Franklin D. Roosevelt sammelte Briefmarken. Harry Truman widmete sich dem Klavier. Dwight Eisenhower züchtete Angus-Rinder. Lyndon B. Johnson sammelte Autos. Richard Nixon tummelte sich auf der Kegelbahn. Ronald Reagan gab seinem Pferd die Sporen. Bill Clinton löste Kreuzworträtsel, blies ins Saxofon und jettet bis heute als Weltverbesserer und sündhaft teurer Redner um den Globus.

Ein mit humanitären Anliegen, Buch-Veröffentlichungen und starker öffentlicher Präsenz erfülltes Leben danach begann so richtig erst mit Jimmy Carter (1977–1981). Sein "Carter Center" in Atlanta dient dem gerade von einer Krebserkrankung genesenen 91-Jährigen bis heute als Plattform, von der aus der Friedensnobelpreisträger von 2002 seine Aktivitäten gegen "Hunger, Armut, Konflikte und Unterdrückung" in der ganzen Welt startet. Vor Carter, so berichtet der Autor Burton Kaufmann in seinem kenntnisreichen Standardwerk "The Post Presidency: From Washington to Clinton", stellte sich die Frage nach einem spannenden Betätigungsfeld im Anschluss an das Weiße Haus meist nicht. Roosevelt, Coolidge, Eisenhower und Johnson waren schon älter. Und bereits zehn Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Amt tot.

Obama, schlank und laut ärztlichen Bulletins kerngesund, ist erst 55, wenn der Job absolviert ist. Da muss doch noch mehr kommen als nur die traditionelle Präsidenten-Bibliothek im Süden Chicagos. Für den geplanten Personenkult treiben Gönner gerade 500 Millionen Dollar ein.

Wer Obama intensiver beobachtet, weiß um seine erstaunliche Vielseitigkeit. Er gibt nicht nur bei alten Al- Green-Nummern einen sehr passablen Soul-Crooner (Sänger mit bestimmtem Gesangsstil, Anm.). Seine Auftritte beim alljährlichen Dinner für die White-House-Korrespondenten gereichten so manchem Stand-up-Comedian zur Ehre. Mit Vortragsreden (Preisklasse 150.000 Dollar aufwärts für 45 Minuten) könnte der erste Schwarze im höchsten Staatsamt locker überleben.

Neues Obama-Buch

Programmiert ist für den Zeitraum Ende 2017/2018 gewiss auch ein drittes Buch, das acht Jahre Oval Office zum Thema haben wird. Die beiden Vorläufer "Dreams from My Father" und "The Audacity of Hope" haben Obama Millionen eingebracht. Weil seine Leidenschaft für intellektuelle Auseinandersetzungen bekannt ist, könnte es auch sein, dass ein präsidialer Professor namens Obama ("Ich liebe das Unterrichten, ich vermisse den Kontakt zu Studenten") in der Columbia-Universität in New York Vorlesungen hält.

Nur eines darf man nach allem, was bekannt ist, ausschließen. George W. Bush malte nach dem Abschied aus Washington auf seiner Ranch in Texas zuerst Tiere. Und später sich selbst in der Badewanne. Barack Obama möchte sich davon bestimmt kein Bild machen.

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