USA-Experte: "Wähler wollten eine radikale Änderung"
Anders als die meisten Meinungsforscher und USA-Experten hatte der Politologe Reinhard Heinisch einen Wahlsieg Donald Trumps nicht für unwahrscheinlich gehalten. Im Interview führt der Uniprofessor (Uni Salzburg), der 20 Jahre in den USA gelebt und unterrichtet hat, aus, wie es zum Siegeszug des streitbaren Republikaners kommen konnte.
KURIER: Wenn 59 Millionen Amerikaner einen Mann ohne politische Erfahrung wählen, der grob ist, unkorrekt und unbeherrscht, fragt man sich: Was sehen seine Wähler in Trump?
Reinhard Heinisch: Sie wollten eine radikale Änderung – und Donald Trump war der Kandidat, der am glaubhaftesten Änderung verkörperte. Wenn ich als Wähler glaube, dass mein Schmerz so groß ist, ist mir jede Therapie recht, solange sie Änderung bringt. Wir sprechen von Wählern, die glauben, dass das politische System so gekippt ist, dass es radikal geändert werden muss. Und nach den ersten Exitpolls der Wahlnacht war auch zu ersehen: 36 Prozent der Wähler wollten einen starken Führer – das waren doppelt so viele wie bei der Wahl 2012. Der Wunsch nach Wandel und nach einem starken Führer – das waren zwei Komponenten dieser Wahl, die auf Donald Trump passten und nicht auf Hillary Clinton.
Welche Rolle hat die Wut der wähler gespielt?
Anhand einiger Swingstates sieht man sehr klar: Donald Trump hat mit der weißen Arbeiterschicht und der wenig gebildeten Schicht gewonnen. Diese Staaten "schwingen", weil die dort traditionell demokratisch wählenden Arbeiter jetzt alle zu Trump gegangen sind, wie etwa in Michigan oder in Ohio. Und das waren die entscheidenden Staaten. Die weiße männliche Arbeiterschaft hat zwar eine abnehmende Demografie, aber sie hat noch immer eine relative Mehrheit. Und man weiß, dass Trump bei genau diesen älteren Amerikanern deutlich führt – und diese wählen häufiger als andere Wählergruppen.
Warum lagen so viele Meinungsumfragen so weit daneben?
Meinungsumfragen können nur Wählerpräferenzen abbilden. Aber Meinungsumfragen können nichts darüber aussagen, ob der Wähler diese Präferenz auch tatsächlich an der Urne umsetzt.
Wird das Beispiel Trumps Schule machen: Nämlich faktenfrei zu argumentieren und nur noch Emotionen zu schüren?
Das hat sich, wie ich in den USA schon vor Jahren beobachtet habe, seit Langem abgezeichnet. Da gibt es ein bestimmtes Weltbild, wo man sich als Opfer von globalen Entwicklungen versteht. Dahinter stehen ,finstere Kräfte‘, verhasste Politiker, Machismo, Rassismus, Konservatismus – alles spielt zusammen. Aber früher wurde man mit Fakten konfrontiert, weil die Medien durchgängig waren und auf Fakten überprüft haben. Jetzt sitzt jeder in seiner eigenen Echokammer, sieht Fox News oder hört sein Talk Radio – und in dieser Welt ist jeder, der nicht meiner Meinung ist, nicht nur der Gegner, sondern der Feind. Hillary Clinton wird dort nicht als Gegnerin wahrgenommen, sondern als Feindin, die eingesperrt werden muss. Das sind die Auswüchse von 20 Jahren böser Propaganda.
Nach dem konservativen Senat und dem konservativen Abgeordnetenhaus nun auch ein konservativer Präsident – ist das ganze Land nach rechts gerückt?
Früher waren beide Parteien eher in der Mitte. Aber die Republikaner sind nach rechts gerückt, während die Demokraten eher gleich geblieben sind. Als beide noch von der Mitte aus agierten, gab es Allianzen und Kompromisse. Aber seit die Republikaner nach rechts gerückt sind, nützen sie die im US-System vorhandenen Veto-Möglichkeiten und blockierten alles. Dadurch haben die Leute das Gefühl, es geht nichts weiter, man ist frustriert. Am Anfang wird es jetzt in Washington eine Art Honeymoon-Periode geben, wo man Dinge umsetzen wird. Aber auch die Republikaner sind ein komplexer Haufen, mit verschiedenen Ausrichtungen. Bei der Umsetzung des Klima-Vertrages wird man sich einig sein; auch bei der Immigrationsfrage. Man wird wohl mehr deportieren. Aber bei anderen Themen, wo Geld ausgeben werden muss, da sehe ich Konfliktpotenzial. Da sind sie dann so mit sich selbst beschäftig, dass sie nichts weiterbringen.
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