US-Senat beginnt Anhörung Barretts für Amt der Höchstrichterin
Das Ringen um die Besetzung des freien Postens am Obersten Gericht der USA geht in die heiße Phase. Im US-Senat soll am Montag (15 Uhr MESZ) die mehrtägige Anhörung der Kandidatin von US-Präsident Donald Trump beginnen. Am ersten Tag geht es im Justizausschuss zunächst um die Vorstellung der konservativen Juristin Amy Coney Barrett und einleitende Stellungnahmen. Am Dienstag geht die Anhörung dann mit der Befragung der Kandidatin Barrett weiter.
Trump und die Republikaner im Senat wollen Barrett noch vor der Präsidentenwahl am 3. November ins Oberste Gericht bringen. Der Präsident machte keinen Hehl daraus, dass es ihm dabei auch um mögliche gerichtliche Auseinandersetzungen zur Auszählung der Stimmen bei der Wahl geht.
Letztes Wort
Trump hatte Barrett als Nachfolgerin der verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg nominiert. Mit ihrer Ernennung bekämen die Konservativen im Supreme Court eine dominierende Mehrheit von sechs der neun Sitze am Gericht. Das Gericht hat oft das letzte Wort bei Rechtsstreitigkeiten zu politisch umkämpften Fragen wie Einwanderung, das Recht auf Abtreibungen oder Gesundheitsversorgung.
Die Demokraten um Trumps Herausforderer Joe Biden fordern, dass erst der Sieger der Wahl über Ginsburgs Nachfolge entscheiden soll. Barrett ist 48 Jahre alt und könnte lange am Gericht bleiben. Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt.
Abtreibungsgegnerin
Die Demokraten wollen bei der Anhörung Zweifel daran vorbringen, dass Barrett sich am Obersten Gericht von ihren Überzeugungen lösen kann. Unter anderem stand ihr Name 2006 unter einer Zeitungsanzeige gegen Abtreibungen. Das wurde in Unterlagen für den Ausschuss zunächst nicht erwähnt - und erst am Freitag nach Medienberichten, die darauf hinwiesen, nachgeholt. Der demokratische Senator Chris Coons gab am Sonntag einen Einblick in die Position der Demokraten. "Sie hat Ansichten, die sie für einen Posten am Obersten Gericht disqualifizieren", sagte er in einem TV-Interview.
Barrett versicherte in ihrer im Voraus bekannt gewordenen Stellungnahme, sie werde stets strikt dem Gesetz folgen. Zugleich legte sie ihr Verständnis von der Rolle der Gerichte dar. "Politische Entscheidungen und Werturteile über die Regierung müssen von den politischen Gewalten vorgenommen werden, die das Volk gewählt hat und die dem Volk gegenüber verantwortlich sind", erklärte Barrett. "Die Öffentlichkeit sollte dies nicht von den Gerichten erwarten und die Gerichte sollten es nicht versuchen."
In den USA war das Recht einer Frau, über eine Abtreibung entscheiden zu können, mit einer Entscheidung des Obersten Gerichts 1973 für von der Verfassung geschützt erklärt worden. Es gibt konservative Kreise, die das damalige Urteil gern rückgängig machen würden. Liberale sind alarmiert, weil Barrett in einem Artikel dafür plädierte, dass das Oberste Gericht grundsätzlich nicht davor zurückschrecken sollte, seine früheren Entscheidungen auf den Prüfstand zu stellen.
"Obamacare" in Gefahr
Die Demokraten sehen bei Barretts Ernennung auch die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama in Gefahr, die im Obersten Gericht bisher knapp bestätigt wurde. Barrett hatte offen die Argumentation des Gerichts dazu kritisiert. Die Trump-Regierung versucht gerade, "Obamacare" vor dem Obersten Gericht zu kippen.
Die Richter werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat ernannt. Die Republikaner halten im Senat 53 der 100 Sitze. Bisher sprachen sich zwei republikanische Senatorinnen dagegen aus, über Barrett vor der Wahl abzustimmen. Die Republikaner können sich noch einen weiteren Abweichler leisten: Bei einem Patt von 50 zu 50 Stimmen kann Vizepräsident Mike Pence auf ihrer Seite eingreifen.
Verzögerung durch Corona?
Bevor der Senat abstimmen kann, muss Barrett erst den Justizausschuss passieren. Hier könnte das Coronavirus ein Faktor werden: Zwei republikanische Senatoren, Thom Tillis und Mike Lee, sind positiv getestet worden. An den Anhörungen können sie über das Internet teilnehmen, für Abstimmungen muss aber eine Mehrheit der 22 Ausschuss-Mitglieder anwesend sein. Der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, kündigte am Sonntag an, dass die Demokraten eher der Sitzung des Ausschusses fernbleiben würden, als den Republikanern mit ihrer Anwesenheit das nötige Quorum für eine Entscheidung zu geben.
Kommentare