US-Medien: Wer Politik als Show sät, erntet die Trumps
Die Nachrichten-Kanäle in den USA kennen seit Wochen nur ein Thema: Wer beschuldigt Donald Trumps Kandidaten als neuer oberster Richter noch sexueller Übergriffe? Wie oft und wie sehr war Brett Kavanaugh als Schüler und Student betrunken? Und hat er über seinen Alkohol-Konsum anfangs nur geflunkert?
Kavanaugh erklärt „I love beer“, habe aber nie zuviel davon abbekommen. Seine Widersacher bieten über Nacht jede Menge Zeugen dagegen auf. Steht damit jetzt alles, was der konservative Richter bislang zu den Vorwürfen sagt, unter begründetem Verdacht, gelogen zu sein? Im Stundenrhythmus werden neue Details, gut einmal am Tag eine neue Wendung im Fall Kavanaugh präsentiert. Wer unbedarft zufällig auf einen der Nachrichtenkanäle gerät, könnte sich als erstes fragen: Läuft hier eine neue Polit-Fiction nach Vorbild von „House of Cards“?
Garant für Konservative
Am Samstag wurde Trumps Kandidat vom US-Senat mit hauchdünner Mehrheit und unter heftigen Protesten von Demonstranten vor dem Kapitol durchgedrückt. Der US-Präsident sicherte sich damit das Wohlwollen des mächtigen religiös-konservativen Flügels der Republikaner. Denn Brett Kavanaugh gilt als Garant für die juristische Zementierung des konservativen Backlash.
Zurück bleibt eine gespaltene Nation. Und ein Lehrstück, wie um ihre Vormacht kämpfende Politiker in Tatgemeinschaft mit allein quotengeilen Medien die Menschen nur gegeneinander aufhetzen – statt sie dazu zu animieren, gemeinsam bessere Lösungen für alle zu suchen.
Es gibt sie aber noch die Nischen der zivilisierten Debatte. Und sie sind dank unerschütterlichem Bekenntnis zum kritischen Journalismus auch kräftig im Wachsen.
Die New York Times legt seit Beginn der Ära Trump bei den Abos regelmäßig im zweistelligen Prozentbereich zu.
Diese Woche lieferte die Medien-Ikone einmal mehr ein Vorzeige-Beispiel. Zwei Autoren widmen sich ausführlich und mit nahrhaften Argumenten der Frage, die auf jeder Dinner-Party spätestens beim zweiten Drink aufkommt: Wie lange müssen die USA noch mit Donald Trump leben? Ein Think-Tank-Chef liefert viele Hinweise, wie Justiz und Kongress Trump den Weg zu einer Wiederwahl abschneiden könnten. Ein Times-Autor begründet, warum er glaubt, dass Trump wiedergewählt und seine Ära noch sechs Jahre dauern werde. Sein Kernargument knüpft an dem Bild an, das US-Politik und US-TV derzeit bieten: Erfolgreiche Reality-TV-Shows halten das Publikum gut sechs Staffeln in Bann. Noch gebe es keine Anzeichen, dass die Trump-Show das Publikum ermüde.
Mit dem Triumph Trumps in der Causa Kavanaugh spricht noch einiges mehr dafür, dass die Seifenoper „The Donald“ tatsächlich in die Verlängerung geht. Ein neues Kapitel in der jüngsten Staffel von „House of Trump“, die alle noch besonnenen Kräfte in Europa und hierzulande nachhaltig alarmieren muss. US-Politik und US-TV sind Zauberlehrlinge: Sie werden das fahrlässige Spiel, das öffentliche Leben als Seifenoper zu inszenieren, nicht mehr los.
Kommentare