US-Demokraten schauen auf das Match der 70-Jährigen
Das Dilemma von Joe Biden vor der dritten Fernseh-Debatte der demokratischen Präsidentschaftskandidaten an diesem Donnerstag kann man an zwei Zahlen festmachen, zwischen denen eine große Lücke klafft: Wenn es um die Frage geht, welcher der rund 20 Aspiranten am 3. November nächsten Jahres am ehesten Amtsinhaber Donald Trump aus der Kurve tragen kann, liegt der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama nahezu uneinholbar vorn. Hier kommt der 76-jährige Biden im demokratisch tendierenden Wahlvolk auf 45 Prozent – über 30 Prozent mehr als seine beständig ernsthaftesten Konkurrenten Bernie Sanders (14 Prozent) und Elizabeth Warren (12 Prozent).
Wollen Meinungsforscher indes wissen, wer 2020 wirklich der beste Präsident für Amerika wäre, erhält der Arbeitersohn aus Scranton im US-Bundesstaat Pennsylvania dagegen einen Dämpfer. Nur 24 Prozent schlagen sich hier auf Bidens Seite. Der 77-jährige Sanders, der bekennende Sozialist aus Vermont, kommt auf 16 Prozent. Warren, die links-progressive Professorin aus Massachusetts, die seit Wochen am meisten Euphorie bei ihren Anhängern auslöst, ist Biden mit 20 Prozent mittlerweile eng auf den Fersen.
Weil in Houston am Donnerstag nur zehn Bewerber die Kriterien erfüllen (mindestens 130.000 Wahlkampfspender und in zwei Meinungsumfragen mindestens zwei Prozentpunkte Zustimmung) und somit auf eine Bühne passen, kommt es knapp fünf Monate vor den ersten offiziellen Vorwahlen in Iowa und New Hampshire zum ersten direkten Aufeinandertreffen der drei Schwergewichte. In den ersten beiden Debatten waren es doppelt so viele Teilnehmer. Sie mussten darum auf zwei Abende verteilt werden.
Dass die Fragensteller des Senders ABC ihr Hauptaugenmerk dem Trio Biden-Warren-Sanders schenken werden, liegt abermals an reinen Zahlen. Andere „hopefuls“ wie Senatorin Kamala Harris, Senator Corey Booker oder der Bürgermeister-Youngster Pete Buttigieg (37) liegen in Umfragen mit deutlichem Abstand im einstelligen Bereich. Sie werden in der demokratischen Gemeinde durchaus geschätzt, aber für zu leicht befunden, um Trump zu schlagen.
Weil Warren und Sanders auf zentralen Themenfeldern wie Arm-und-Reich (Steuererhöhung) und Gesundheitssystem (hin zu einer staatlichen Einheitskrankenkasse) eng beieinander sind, wird mit Spannung zu beobachten sein, wie sich die duzenden und herzenden Weggefährten im direkten Vergleich voneinander absetzen.
Startvorteil für Warren
Wie Kundgebungen der vergangenen Wochen zeigten, hat Warren atmosphärische Startvorteil: Ihr geht bei aller Entschlossenheit das Verbiesterte und zuweilen Dogmatische ab, das Bernie Sanders bereits 2016 bei seinem Versuch umgab, die später Trump unterlegene Hillary Clinton zu neutralisieren.
Von Joe Biden wiederum, für den TV-Debatten wegen seines Hangs zu Versprechern und rhetorischen Irrläufern eher Hindernis-Parcours denn natürliches Selbstdarstellungsbiotop sind, wird von einem Teil der Wähler erwartet, dass er seinen bisher emotional unterphilosophierten Wahlkampf auch sachpolitisch neu auflädt.
Biden hat sich dem bisher so gut es geht, entzogen. Er, seit Urzeiten ein Mann der moderaten Mitte, der auch mit Republikanern kann, steht auf dem Standpunkt, dass es bei den Wahlen im nächsten Jahr nicht um programmatische Feinschmeckerei und kühne Ziele gehen kann. Sondern allein darum: Donald Trump müsse davon abgehalten werden, Amerikas Ruf daheim und in der Welt in einer zweiten Amtszeit „vollends zu ruinieren“.
Dass man dem außenpolitisch versierten Senator Biden am ehesten zutraut, die politische Landschaft zu entgiften und geräuschlose, unspektakuläre Staatskunst an die Stelle der zunehmend ermüdenden Monstrositäten im „Zirkus Trump“ zu setzen, ist für schwarze Wähler, ältere Wähler über 50 und Frauen laut Umfragen ein Pluspunkt. In der Generation Ü-35 gilt Biden dagegen als Oldtimer, dem nach Hunderttausenden Kilometern der Brennstoff fehlt; und der im Eins-gegen-Eins-Duell mit Trump von der Dampfwalze aus New York überrollt werden könnte.
Sattelfeste Konkurrenz
Elizabeth Warren dagegen, die mit einer blendenden Wahlkampf-Organisation in vielen Bundesstaaten seit nunmehr neun Monaten beharrlich den Boden beackert, hat gezeigt, dass sie nicht nur thematisch durch die Bank sattelfest ist. Die 70-Jährige kann auch wahre Begeisterungsstürme links der politischen Mitte auslösen. Im direkten Vergleich könnte sich diese Begabung für Joe Biden bereits in Houston negativ auswirken.
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