UNO stellt alle Hilfslieferungen nach Syrien ein
Nach dem tödlichen Angriff auf einen Hilfskonvoi in Syrien stoppen die Vereinten Nationen vorerst alle ihre Hilfslieferungen in dem Bürgerkriegsland. Als "sofortige Sicherheitsmaßnahmen" würden alle Konvois gestoppt, sagte der Sprecher des UNO-Büros für humanitäre Hilfe (OCHA), Jens Laerke, am Dienstag in Genf.
Bis zu einer "neuen Bewertung der Sicherheitslage" werde es keine Hilfslieferungen mehr geben, sagte Laerke, der eine "Untersuchung" zu dem Angriff forderte. Der Hilfskonvoi, der nach Angaben des OCHA-Sprechers vor allem Hilfsgüter der UNO transportierte, war am Montag westlich von Aleppo angegriffen worden. Nach Angaben des Roten Kreuzes kamen etwa 20 Menschen ums Leben. "Rund 20 Zivilisten und ein Mitarbeiter des Roten Halbmonds wurden getötet, als sie humanitäre Hilfsgüter von den Lastwagen luden", erklärte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften am Dienstag in Genf. Unter ihnen war auch ein Mitarbeiter des syrischen Roten Halbmonds, wie die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften in Genf mitteilte. Außerdem seien mehrere Zivilisten getötet oder verletzt worden. Vor einer Entscheidung über die Wiederaufnahme der Hilfe für Zehntausende Syrer müsse die Sicherheitslage der UNO-Mitarbeiter geprüft werden, erklärte OCHA am Dienstag in Genf.
Die Lastwagen gehörten zu einem Konvoi von insgesamt 31 Fahrzeugen der UNO sowie des Roten Halbmonds, die 78.000 Menschen in der Ortschaft Orum al-Kubra versorgen wollten. Mindestens 18 Lastwagen wurden beschädigt.
UNO spricht nicht mehr von "Luftangriff"
Die Vereinten Nationen haben ihre Wortwahl im Zusammenhang mit der Zerstörung der Hilfslieferungen geändert und sprechen nun allgemein von einem "Angriff" und nicht mehr von einem "Luftangriff". "Wir sind nicht in der Lage festzustellen, ob es sich tatsächlich um einen Luftangriff gehandelt hat", sagte ein UN-Sprecher am Dienstag. Zuvor war wiederholt von einem Luftangriff die Rede gewesen.
UN-Sicherheitsrat befasst sich mit Syrien
Der UN-Sicherheitsrat wird sich am Mittwoch mit der jüngsten Gewalteskalation in Syrien befassen. An der Sitzung in New York wollen die Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, teilnehmen. Die beiden Minister waren bereits am Dienstag beim Treffen der internationalen Syrien-Unterstützergruppe zusammengekommen, um über die Wiederherstellung der von ihnen ausgehandelten Waffenruhe zu beraten.
"Wenn vorsätzlich, dann ist es ein Kriegsverbrechen"
Die UNO hatte mit Abscheu und Fassungslosigkeit auf den tödlichen Luftangriff reagiert. Sollte sich der Angriff vorsätzlich gegen die Helfer gerichtet haben, "dann läuft dies auf ein Kriegsverbrechen hinaus", sagte der Chef der UNO-Hilfseinsätze, Stephen O'Brien. UNO-Vertreter hatten betont, dass der Hilfskonvoi in intensiven Verhandlungen mit den Konfliktparteien vorbereitet worden und klar als humanitärer Transport gekennzeichnet gewesen sei.
Auch das Rote Kreuz setzt seine Hilfskonvois nach Aleppo-Angriff vorerst aus. Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, bezeichnete den Angriff als einen "ungeheuerlichen Verstoß gegen das Humanitäre Völkerrecht". Er warnte vor ernsten Folgen für die Arbeit von Hilfsorganisationen in Syrien.
Die Hilfsorganisation World Vision zeigte sich ebenfalls alarmiert. "Dieser tödliche Angriff ist ein erschreckender Wendepunkt in diesem Konflikt - und absolut verheerend für tausende Kinder und deren Familien, die auf diese Hilfsgüter warteten. Es ist eine besorgniserregende Entwicklung für alle Organisationen, die innerhalb Syriens Hilfe leisten", sagt Martijn Hekman, der stellvertretende Einsatzdirektor der Syrienhilfe am Dienstag in einer Presseaussendung. Die nun aufgekündigte Waffenruhe habe "den Kindern, die seit Jahren Gewalt und Leid ertragen müssen, in den besetzten Gebieten des Landes nichts gebracht".
Russland kündigt Untersuchung an
Russland hat nun eine Untersuchung des Zwischenfalls angekündigt. "Das Militär wird die Vorgänge vom 19. September prüfen, um alle Details zu klären", teilte das Außenministerium in Moskau am Dienstag mit. Das Außenamt wies Vorwürfe zurück, Russland könne verwickelt sein. "Mit Empörung nehmen wir die Versuche (...) wahr, der russischen und der syrischen Luftwaffe die Verantwortung für den Zwischenfall zu geben", hieß es der Agentur Interfax zufolge in einer Mitteilung. Für solche Anschuldigungen gebe es keine Beweise.
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, auf Videoaufzeichnungen sei gut sichtbar, dass Terroristen mit einem Lastwagen den Konvoi begleiten würden. "Auf dem Fahrzeug steht ein großkalibriger Granatwerfer", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow.
Der Vizechef des Verteidigungsausschusses in Moskau, Franz Klinzewitsch, rief die USA mit Nachdruck zur Zusammenarbeit mit Russland im Syrien-Konflikt auf. "Ich sage nicht, dass die USA den Konvoi bombardiert haben. Aber es ist klar, dass sie den Konvoi schamlos für einen Informationskrieg benutzen", kritisierte er.
Die Nachrichtenagentur Reuters bezog sich hingegen Dienstag Nacht auf US-Geheimdienstkreise, wonach der Luftangriff von zwei russischen Kampfjets des Typs SU-24 ausgeführt worden sei, die zum Zeitpunkt der Bombardierung über dem Konvoi gewesen seien.
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