Kriegsherr Obama fordert Führungsrolle für die USA

"Sie verstehen nur die Sprache der Gewalt" – US-Präsident Obama begründet vor der UN-Generalversammlung die Luftangriffe auf Stellungen der IS-Milizen.
Zum Auftakt der UNO-Vollversammlung gibt sich der US-Präsident entschlossen, an der Spitze einer internationalen Koalition dem IS-Terror entgegenzutreten.

Vor einem Jahr noch hatte er der internationalen Diplomatie eine Chance geben wollen, betonte die Rolle der UNO bei der Lösung globaler Konflikte. Als Barack Obama am Mittwoch zu seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung ans Podium trat, hatte er – ganz ähnlich wie einst sein Vorgänger George W. Bush – eben diese Vereinten Nationen wieder einmal links liegen gelassen. Die „internationale Gemeinschaft“, so sein offener Vorwurf, „hat dabei versagt, dem Extremismus entgegenzutreten“. Die USA aber forderten die Staaten der Welt auf , „sich uns anzuschließen, auf der richtigen Seite der Weltgeschichte“.

"Sprache der Gewalt"

Seit Wochen fliegt eine von den USA geschmiedete und auch angeführte Koalition Bombenangriffe auf die islamistische Terrormiliz IS im Irak. Seit Wochenbeginn fallen die Bomben auch auf deren Städte und Stellungen in Syrien. Diese Terroristen, machte der Präsident unmissverständlich klar, „verstehen nur die Sprache der Gewalt“. Die USA seien entschlossen, „das zu tun, was nötig ist“.

Im vergangenen Jahr ist die Krisenregion Nahost noch tiefer in blutigem Chaos versunken. Der damalige Hauptfeind, Syriens Diktator Assad, spielt heute nur noch eine Nebenrolle in den Plänen der USA.

Noch klarer wird diese völlige Umkehrung aller politischen Realitäten im Hinblick auf den Iran. Dessen Atomwaffenprogramm stand im Vorjahr im Brennpunkt der Ausführungen des Präsidenten. Hoffte man damals auf ein erstes Tauwetter nach jahrzehntelanger politischer Eiszeit zwischen Washington und Teheran, so finden sich beide Staaten heute auf der selben Seite im Konflikt in Syrien und im Irak wieder. Der IS als gemeinsamer Feind macht den Iran notgedrungen zum wichtigen Partner für die USA im Krisengebiet – und das Atomprogramm auf einmal zum nebensächlichen Problem. Gerade einmal eine kurze Erwähnung war das Thema dem Präsidenten wert.

Obama wollte in diesem Jahr nicht Friedenswillen, sondern Handlungsbereitschaft demonstrieren. Dazu fordert der Präsident die politische Führungsrolle in der Krisenbewältigung ein, für die USA und auch für sich persönlich. Betont kämpferisch forderte er die Staaten auf, „sich unserer gemeinsamen Mission anzuschließen. Wir werden gegen die Gefahren des Terrorismus antreten.“

Deutlicher hätte das der US-Präsident nicht demonstrieren können als mit seinem zweiten Auftritt an diesem Tag, unmittelbar nach dem Auftritt vor der Vollversammlung. Erst ein Mal in der Geschichte hat ein US-Präsident – es war Obama selbst – eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates geleitet. Damals, vor fünf Jahren, hatte Nordkorea kurz vor dem Gipfel in New York erstmals eine Atombombe getestet.

Anti-Terror-Gesetze

Diesmal will der US-Präsident nicht nur reagieren, sondern agieren. Er trat vor das mächtigste UN-Gremium mit einem detaillierten Plan für eine bindende Resolution – die angenommen wurde. Der Sicherheitsrat verpflichtet also die Staaten weltweit, den Kampf gegen den IS aufzunehmen, nicht im Irak und in Syrien, sondern vor allem auf eigenem Territorium. Bürger, die, angeworben von der IS-Propaganda, in den Nahen Osten aufbrechen und dort zu Gotteskriegern werden wollen, sollen vor Gericht und wenn nötig auch ins Gefängnis. Die Staaten sollen ihre nationalen Gesetze für diesen Zweck anpassen, notfalls auch auf Kosten bürgerlicher Freiheiten.

Während Kampfflugzeuge der Allianz gegen den IS am Mittwoch neue Angriffe auf Stellungen und Nachschubwege der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Nordsyrien flogen, schlugen Anhänder des IS an einem anderen Ort zu: In Algerien. Dort enthaupteten Islamisten einen Franzosen, den sie am Sonntag entführt hatten. Frankreichs Armee beteiligt sich an den Luftschlägen.

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete indes, die Angriffe am Mittwoch seien von der Türkei aus geführt worden und hätten Regionen um Ayn al-Arab zum Ziel gehabt. Die IS-Extremisten versuchen seit Tagen, die Grenzstadt, die auf kurdisch Kobani heißt, einzunehmen. Das hat dort eine Massenflucht von mindestens 140.000 Menschen in die Türkei ausgelöst, Hunderttausende könnten folgen.

Türkische Regierungsvertreter wiesen Angaben, wonach die Kampfjets aus der Türkei angegriffen oder türkischen Luftraum durchflogen hätten, zurück. Präsident Erdogan hatte zuvor jedoch militärische Hilfe seines Landes im Kampf gegen den IS nicht ausgeschlossen.

Die USA hatten in der Nacht auf Dienstag gemeinsam mit fünf arabischen Verbündeten erstmals ihre Angriffe auf den IS vom Irak auf Syrien ausgeweitet. 70 IS-Extremisten und 50 Kämpfer der mit der El Kaida verbündeten Chorasan-Gruppe und der Al-Nusra-Front sollen getötet worden sein.

Eine sehr österreichische Mischung aus Patriotismus und Abschiedsstimmung herrschte Dienstag Abend in der Residenz des österreichischen Botschafters bei den Vereinten Nationen in der noblen Upper Eeast Side in New York. Botschafter Martin Sajdik hatte die heimischen Teilnehmer an der UNO-Generalversammlung geladen. Der Spitzendiplomat, der das Land auf gewichtigen Posten wie Moskau und Peking erfolgreich vertreten hatte, nimmt kommenden Sommer seinen Abschied aus dem diplomatischen Dienst. Sajdik hieß so auch seinen Nachfolger Jan Kickert, politischer Direktor im Außenministerium, als künftigen Hausherren willkommen.

Bundespräsident Heinz Fischer ist seit Amtsantritt regelmäßig Teilnehmer des jährlichen UNO-Treffens. Heuer erstmals mit dabei: Außenminister Sebastian Kurz und Umweltminister Andrä Rupprechter. Rupprechter war wegen des UN-Klimagipfels angereist. Er zeigte sich beeindruckt vom "spürbaren Willen" von großen Klimasündern aber auch Big Playern wie den USA und China, bei der entscheidenden Klimakonferenz 2015 in Paris "etwas weiterzubringen".

Fischer und Kurz absolvierten am Dienstag gemeinsam zwei heikle bilaterale Treffen mit dem irakischen und dem iranischen Staatspräsidenten. Im Mittelpunkt da wie dort die katastrophale Lage in den von der IS beherrschten Regionen im mittleren Osten.

Die weltweite neue Herausforderung durch den islamistischen Terror beherrschte auch das angelaufene UN-Treffen. Welche Rolle kann ein 8-Millionen-Land bei diesem globalen Austausch der Interessen von Weltmächten spielen? Österreich ist gerade dabei, sein Angebot für humanitäre Hilfe für die IS-Flüchtlinge vor Ort zu konkretisieren, berichten die heimischen Diplomaten. Im Fall des Iran würden zudem die Chancen auf einen Abschluss der Atomverhandlungen im November in Wien steigen.

Beim abendlichen Österreich-Treff nach seinem Premierentag bei der UNO in New York musste sich Sebastian Kurz entschuldigen lassen. Der jüngste Außenminister der Welt war zu einem Abendessen mit dem großen alten Mann der Außenpolitik, Henry Kissinger, geladen. Mit am Tisch der kleinen Runde im New Yorker Appartement des prominenten Eigentümers und Zeitungs-Herausgebers Mortimer Zuckerman (New York Daily News, US News and World Report) war auch der britische Ex-Premier Tony Blair.

Kissinger absolviert diese Woche Österreicher-Tage in New York: Heute, Donnerstag, trifft der Ex-US-Außenminister Bundespräsident Heinz Fischer zum Mittagessen.

Kriegsherr Obama fordert Führungsrolle für die USA
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