1,15 Millionen Kinder gehen in Österreich in Schule, gut 25.000 machen das aber doppelt: Alle Kinder und Jugendlichen, die aus der Ukraine geflohen sind, haben zweimal Unterricht – vormittags österreichischen, nachmittags ukrainischen. Das sorge zwar dafür, dass die Kinder mit ihrer Heimat verbunden bleiben, sei aber auch „eine extreme Belastung“, sagt Sibylle Hamann, grüne Bildungssprecherin. „Die Kinder gehen praktisch zweimal in die Schule.“
Sie war kürzlich selbst in der Ukraine, um sich ein Bild zu machen – davon, wie Lehren und Lernen im Krieg möglich ist. Luftalarm habe es fast täglich gegeben, sagt Hamann nach einer Woche in Odessa, der Unterricht funktioniere dennoch überraschend gut. Die Schule sei für viele ein Rückzugsort, ein Ort der Normalität – und das trotz der permanenten Raketen- und Drohnenangriffe.
Auch für die geflüchteten Kinder in Österreich ist die Online-Verbindung zu ihren Lehrern und Kollegen ein Stück Normalität. Die doppelten Curricula seien aber – neben dem ohnehin schwierigen Spracherwerb – schwer zu stemmen, gibt Hamann zu bedenken. Das weiß man auch in Kiew: Die Ukraine verhandelt gerade über eine Anerkennung der in Österreich erworbenen Bildung – dann hätten die geflüchteten Kinder ab Herbst nachmittags nicht mehr das volle Programm, sondern nur mehr Ukrainisch und Geschichtsunterricht.
Auch für die Lehrer wäre das eine Entlastung. Sie unterrichten oft im Schichtbetrieb, da in den Schulen immer nur so viele Kinder sein dürfen, wie in diese Schutzräume passen. Dazu kommt der Onlineunterricht für all jene, deren Schulweg zu gefährlich ist oder die im Ausland sind – für umgerechnet nur 250 Euro im Monat. „Das grenzt an Selbstaufgabe“, sagt Hamann.
Angesichts der ausbleibenden Hilfen aus dem Westen geht auch unter Lehrern die Angst um, dass im Bildungsbereich gespart wird. Besonders prekär ist die Lage von Lehrkräften, die in den besetzten Gebieten sind: Wer sich weigert, für die Russen zu unterrichten, wird nämlich von Kiew bezahlt – noch zumindest.
Auch für die Kinder in der Besatzungszone sind ihre alten Schulen oft ein Rettungsanker. 67.000 Kinder nehmen nach wie vor am Onlineunterricht teil, heißt es aus dem Bildungsministerium in Kiew.
Ein Anker, der für sie durchaus gefährlich sein kann: Wer entdeckt wird, hat mit schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen.
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