EU legt schärfere Sanktionen auf Eis

Sanktionen: Äpfel aus Österreich dürfen seit Anfang August nicht mehr nach Russland geliefert werden
Uneinigkeit: Europäische Staaten fürchten Gegenschläge.

Der Beschluss neuer bzw. verschärfter Sanktionen gegenüber Russland war in den letzten Monaten stets eine schwere Geburt. So offensichtlich wie in diesen Tagen waren die Differenzen unter den 28 EU-Staaten aber selten: Montagnachmittag, lange nach der ursprünglichen Deadline, hatte gerade einmal die Hälfte der Regierungen ihre schriftliche Zustimmung zu jenem neuen Sanktionen-Paket gegeben, auf das man sich auf Botschafter-Ebene bereits am Freitag geeinigt hatte. Auch Österreich zählte laut Brüsseler Kreisen zu den Staaten, die verspätet zustimmten.

Eine Gruppe von Staaten – dem Vernehmen nach angeführt von Finnland – wollte das für Dienstag geplante Inkrafttreten der verschärften Sanktionen blockieren. Die Begründung: Man müsse der Waffenruhe in der Ostukraine eine Chance und noch etwas Zeit geben – ein "aggressiver" Schritt gegen Russland sei da das falsche Signal.

Gegenschlag

Dahinter stecken, neben einer unterschiedlichen Beurteilung der Ernsthaftigkeit der russischen Friedensbemühungen, auch handfeste wirtschaftliche Interessen: Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew hatte am Montag als Gegenschlag für neue EU-Sanktionen ein Überflugverbot für westliche Fluglinien in den Raum gestellt. Dem finnischen Sender YLE zufolge würde das massiv die Finnair treffen, die viele asiatische Ziele ansteuert.

Schon jetzt spüren viele EU-Staaten die bisherigen russischen Gegensanktionen, etwa den Importstopp von Lebensmitteln aus der Union. In Wien beraten heute die Regierungsspitzen mit den Sozialpartnern, wie mögliche Folgen der Ukraine-Krise für die heimische Wirtschaft abgefedert werden können (siehe Seite 2).

Druck aus Berlin

Den "Bremsern" um Finnland steht in der Sanktionen-Frage Deutschland gegenüber, das weiter Druck auf Russland ausüben will: Der Westen müsse darauf reagieren, dass Russland direkt in seinem Nachbarland eingreife, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag im RBB-Radio: "Und was ist die Möglichkeit zu reagieren? Das sind Sanktionen." Erst wenn Moskau sich an der Umsetzung des Friedensplans beteilige, könne man über die Aufhebung von Sanktionen reden, so Merkel: "Wir wollen jetzt Taten sehen."

Mit dem Kompromiss, der nach einer Sondersitzung der EU-Botschafter Montagabend gefunden wurde, sind die schärferen Sanktionen aber vorerst auf Eis gelegt: Zwar haben alle Regierungen zugestimmt – doch die Veröffentlichung im Amtsblatt der Union, die die Maßnahmen wirksam werden lasst, ist verschoben. Heute, Mittwoch, sollen die Botschafter erneut beraten und auch die Lage in der Ostukraine "neu bewerten". In Diplomatenkreisen heißt es, die neuen Sanktionen könnten ab Freitag in Kraft treten – oder noch einmal überarbeitet werden.

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