Schwere Kämpfe im Osten der Ukraine, Selenskij hofft auf Waffen

Smoke rises above buildings in Donetsk
Im Osten der Ukraine halten schwere Kämpfe an, Präsident Selenskij macht seinen Landsleuten Mut.

Tag 166 im Ukraine-Krieg:

In der ostukrainischen Provinz Donezk toben weiter schwere Kämpfe bei den Städten Bachmut und Awdijiwka. Östlich und südlich der Nachbarstädte Soledar und Bachmut seien russische Angriffe abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab am Montag auf Facebook mit. Ebenso seien russische Vorstöße östlich von Siwersk und südwestlich der Stadt Awdijiwka gescheitert. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht.

Bei der von russischen Truppen besetzten Großstadt Cherson im Süden startete die ukrainische Armee erneut Gegenangriffe mit Raketen auf die strategisch wichtige und bereits zuvor beschädigte Antoniwka-Brücke über den Fluss Dnipro. Das bestätigte die Sprecherin des ukrainischen Südkommandos, Natalija Humenjuk. Zudem sei die Straße über den Dnipro-Staudamm bei Nowa Kachowka mit Raketen beschossen worden. Seit der Beschädigung der drei einzigen Flussquerungen beim russisch besetzten Unterlauf des Dnipro Ende Juli ist der Nachschub für die russischen Truppen auf dem rechten Ufer erheblich gestört.

Während die ukrainische Armee im östlichen Gebiet Donezk weiter unter Druck bleibt, hat Präsident Wolodymyr Selenskij neue Waffenlieferungen durch Partner angedeutet. Landesweit gab es am Abend Luftalarm, aus mehreren Regionen wurden Explosionen gemeldet. 

Angespannt bleibt die Lage auch um das Atomkraftwerk Saporischschja. Am Sonntag wurde es erneut beschossen. Kiew und Moskau beschuldigten sich gegenseitig dafür.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International versucht nach einem umstrittenen Bericht über die Kriegsführung der ukrainischen Armee, sich von der russischen Propaganda zu distanzieren. Derweil suchen internationale Stars nach ihrer politischen Position.

Britischer Geheimdienst: Russland setzt Antipersonenminen ein

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste setzt Russland in der Ukraine höchstwahrscheinlich hochgefährliche Antipersonenminen einsetzen. Moskau wolle damit wohl seine Frontlinien in der ukrainischen Donbass-Region verteidigen, hieß es am Montag in einem Tweet des britischen Verteidigungsministeriums. Die Minen seien sowohl für Truppen als auch die lokale Zivilbevölkerung extrem gefährlich.

Die Minen des Typs PFM-1 - auch Schmetterlingsmine genannt - seien "zutiefst umstritten", hieß es. Im Afghanistan-Krieg hätten sie furchtbare Auswirkungen gehabt, Kinder hätten sie dort für Spielzeuge gehalten. Es sei außerdem wahrscheinlich, dass Russland seinen Bestand aus Sowjetzeiten nutze, der über die Jahre marode geworden und damit nun noch unberechenbarer sei, hieß es in der Mitteilung der Briten. Dies stelle ein erhebliches Risiko für Spezialkräfte dar, die die Gebiete entminen.

Selenskij kündigt „gute Nachrichten“ an

Selenskij deutete an, dass weitere Waffen an die Ukraine geliefert werden könnten. „Nächste Woche erwarten wir Neuigkeiten von Partnern bezüglich der Hilfspakete. Gute Nachrichten!“, sagte Selenskij am Sonntag in seiner Videoansprache. Schlüssel der erfolgreichen Verteidigung seien nach wie vor Waffenlieferungen aus dem Westen.

Nach Angaben Selenskyjs verlaufen die härtesten Kämpfe im Donbass. Die Lage dort bleibe schwierig. Die Verteidigung von Orten wie „Awdijiwka, Pisky, Marjinka und Bachmut erfordern unsere Hauptanstrengung und leider viele Leben“, sagte er. Zudem erneuerte er seine Vorwürfe an Russland, das AKW Saporischschja im Süden der Ukraine beschossen zu haben.

Eskalation um AKW Saporischschja droht

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage warfen sich Moskau und Kiew gegenseitig den Beschuss der Anlage vor. Die ukrainische Armee habe in der Nacht zum Sonntag eine Rakete auf das AKW-Gelände abgefeuert, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf die Besatzungsverwaltung der Stadt Enerhodar, in der das Kraftwerk liegt.

Die ukrainische Atombehörde Enerhoatom hingegen beschuldigte die Russen, das unter ihrer Kontrolle stehende Gelände selbst beschossen zu haben. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die Internationale Atombehörde fordert von beiden Seiten, unabhängigen Atomexperten den ungehinderten Zugang zu der Anlage zu ermöglichen.

Erster Frachter kommt in ukrainischem Hafen an

Nach dem Ende der russischen Seeblockade hat erstmals wieder ein Frachtschiff in einem ukrainischen Hafen angelegt. „Der Schüttgutfrachter Fulmar S ist im Hafen Tschornomorsk angekommen und bereit zum Beladen“, teilte das ukrainische Infrastrukturministerium auf seinem Telegram-Kanal mit. Die in den letzten Tagen aus den ukrainischen Häfen ausgelaufenen Schiffe hingen dort bereits seit Kriegsbeginn fest. Die Wiederaufnahme des Schiffsverkehrs und der damit verbundenen Getreidelieferungen aus der Ukraine sind wichtig für die Stabilisierung der Lebensmittelpreise weltweit.

Bisher sind aus den ukrainischen Häfen seit Anfang August schon acht Schiffe mit Getreide ausgelaufen. Sie gehörten zu den Dutzenden Frachtern, die dort seit Kriegsbeginn im Februar wegen der russischen Seeblockade und der Verminung der eigenen Häfen durch das ukrainische Militär stecken geblieben waren. Mit dem Einlaufen der Fulmar S habe der Getreidekorridor nun einen „Ein- und Ausgang“, erklärte Infrastrukturminister Olexander Kubrakow.

Amnesty bedauert „Schmerz“ in Kiew 

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verteidigte ihren umstrittenen Bericht zur Kriegsführung der ukrainischen Armee und erklärte zugleich ihr Bedauern über dessen Auswirkungen. „Amnesty International bedauert tief den Schmerz und Ärger, den unsere Pressemeldung über die Kampftaktiken des ukrainische Militärs ausgelöst hat“, heißt es in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Statement der Organisation. Amnesty hält dabei an den wichtigsten Erkenntnissen des Berichts fest.

In dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht hatte Amnesty der ukrainischen Armee vorgeworfen, sich in Wohnvierteln zu verschanzen und damit Zivilisten unnötig in Gefahr zu bringen. „Obwohl wir voll zu unseren Erkenntnissen stehen, bedauern wir den entstandenen Schmerz und wollen ein paar entscheidende Punkte klar stellen“, teilte Amnesty nach der daraufhin einsetzenden Kritik nun mit. So habe die Organisation an 19 verschiedenen Orten ukrainische Verstöße gegen das Kriegsrecht festgestellt. Dies rechtfertige aber nicht die russischen Kriegsverbrechen. Amnesty habe diese Verbrechen in den vergangenen Monaten mehrfach thematisiert.

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