Ukraine droht der Bankrott: Timoschenko sieht sich als Gewinn
Jetzt ist es also offiziell. Julia Timoschenko will die Ukraine regieren. Am Donnerstag gab die Veteranin der ukrainischen Politik ihre Kandidatur bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen am 25. Mai bekannt. Nach zwei Amtsperioden als Premierministerin will sie jetzt also Staatschefin werden. Laut Umfragen wird sie das Rennen nicht machen. Sie liegt zusammen mit Vitali Klitschko weit abgeschlagen hinter Petro Poroshenko.
Wen das Land an der Spize braucht, ist nicht klar. Klar ist dagegen: 20 Milliarden Euro werden benötigt, um einen bevorstehenden Bankrott abzuwenden. Das gab Regierungschef Arseni Jazenjuk am Donnerstag bekannt. Das Land stehe am "Rande des finanziellen und wirtschaftlichen Bankrotts".
Um Bedingungen für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erfüllen, werde der ukrainische Staat 24.000 seiner 249.000 Angestellten entlassen müssen. Zudem sollen Sonderrenten für Staatsanwälte, Richter und Polizeibeamte gestrichen werden. Das bei zugleich steigenden Preisen und hoher Inflation. Der staatliche Gas-Versorger Naftogaz kündigte eine Preissteigerung von 50 Prozent für Privatkunden an. Auch das ist eine Bedingung des IWF.
Es geht um Kredite in der Höhe von 14 bis 18 Milliarden Dollar über die kommenden zwei Jahre. Hinzu kommen Kredite aus Japan, den USA und seitens der EU. Alles zusammen 27 Milliarden Dollar – das entspricht knapp 20 Milliarden Euro.
Die ukrainische Landeswährung Griwna war in den vergangenen Wochen um 50 Prozent gegenüber dem Euro und dem Dollar verfallen. Das bringt Kreditnehmer in schwere Nöte. Hinzukommt eine dramatische Wirtschatfsflaute, die vor allem viele klein und Mittelunternehmer stöhnen lässt. Und hinzukommen auch Tausende Flüchtlinge, die von der Krim aufs Festland kommen. 3000 sind es bisher laut offiziellen Schätzungen. Aber alleine seitens der Krim-Tataren heißt es, bisher seien 5000 Angehörige der muslimischen Volksgruppe von der Krim geflohen. Noch kommen lokale Initiativen für Verpflegung und Unterkunft auf.
Auf der Krim geht derweil die Aufteilung "verstaatlichter" – also praktisch vom ukrainischen Staat entwendeter – Vermögenswerte und Güter weiter. Zugleich zeichnet sich ab, welche Zukunft Moskau für die Krim vor Augen hat. Während russische Banken mit einem massiven Kapitalabfluss kämpfen, werden in Moskau mehrere Szenarien durchgespielt. Erwogen wird anscheinend die Schaffung einer Sonderwirtschaftszone mit weitreichenden Steuererleichterungen.
Die Führung der Krim hat anscheinend weiterreichende Pläne: Laut Regierungschef Sergej Aksjonow soll die Krim zu Russlands Las Vegas werden – in Russland gilt ja seit 2009 ein generelles Verbot von Glücksspiel. Über Sonderzonen war bereits damals laut nachgedacht worden.
Die wirtschaftlichen Probleme der Krim jedenfalls könnten zu einem Problem für Russland werden. Nicht zuletzt war die pro-russische Stimmung auf der Halbinsel durch die Hoffnung auf große russische Investitionen beflügelt worden.
Mit großer Mehrheit hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Annexion der Krim durch Russland verurteilt. Eine entsprechende Resolution fand am Donnerstag in New York die Zustimmung von 100 Staaten, nur 11 stimmten dagegen. 58 enthielten sich.
Das Papier appelliert an die internationale Gemeinschaft, keine Veränderung der ukrainischen Grenzen anzuerkennen und eine diplomatische Lösung der Krise zu finden. Russland wird aber nicht namentlich genannt. Ein Veto gibt es in der Vollversammlung nicht, die Resolutionen sind allerdings nicht bindend.
Einer Umfrage zufolge dominieren nach dem international nicht anerkannten Anschluss der Krim bei den meisten Russen Nationalstolz und ein "Gefühl historischer Gerechtigkeit". Zudem hätten rund 79 Prozent der Befragten gesagt, die Krim-Politik des Kremls sei auch ein Ausdruck für "Russlands Wiederkehr als Großmacht", teilte das unabhängige Lewada-Institut am Donnerstag in Moskau mit.
"Missbilligung" oder "Empörung" über die Annexion der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Schwarzmeer-Halbinsel empfinden demnach nur etwa acht Prozent. Experten bemängeln jedoch, dass Kritiker der staatlichen Krim-Politik in Russland kaum Möglichkeit hätten, sich öffentlich etwa in Staatsmedien zu äußern.
Zuletzt hatten Umfragen ergeben, dass Kremlchef Wladimir Putin nach Jahren schwächelnder Zustimmungswerte mit seinem Ringen um die Krim an Popularität gewinne. Dem staatlichen Meinungsforschungsinstitut Wziom zufolge stieg die Zufriedenheit der Bürger erstmals seit drei Jahren über 70 Prozent (71,6 Prozent).
IWF hilft Ukraine
Putin wollte am Donnerstag mit dem Föderationsrat in Moskau die Lage im Krim-Konflikt erörtern. Mitglieder des Oberhauses sollten dem Kremlchef dabei auch Bericht erstatten, wie die Halbinsel schneller in russische Strukturen integriert werden kann.
Damit könnten in diesem Zeitraum insgesamt 27 Milliarden Dollar internationale Hilfsmittel freigesetzt werden, teilte der IWF am Donnerstag in Washington mit. Der russische Präsident Wladimir Putin wollte unterdessen am Donnerstag mit den Mitgliedern des Föderationsrates über die Integration der Krim beraten. Unter anderem will Moskau seine Militärpräsenz auf der Halbinsel verstärken.
Die USA wollen, dass die NATO in Ostmitteleuropa verstärkt Flagge zeigt. Außerdem setzt der Westen auf eine internationale politische Isolierung Russlands. Eine Gelegenheit dafür bietet am Donnerstag die UNO-Vollversammlung, die auf Antrag Kiews beschließen sollte, das Referendum auf der Krim zum Anschluss an Russland nicht anzuerkennen. Anders als im UNO-Sicherheitsrat hat Russland in der Vollversammlung keine Möglichkeit, eine Resolution mit seinem Veto zu verhindern.
Am Mittwoch hatte US-Präsident Barack Obama in Brüssel die Europäer im Konflikt um die Ukraine zu einer stärkeren Abgrenzung von Russland aufgerufen. Die EU-Staaten müssten mehr für eine unabhängige Energieversorgung und Verteidigungsfähigkeit tun, sagte er. "Die Lage in der Ukraine erinnert uns daran, dass Freiheit nicht kostenlos ist." Später fügte er hinzu: "Russlands Führung greift Wahrheiten an, die noch vor Wochen selbstverständlich waren: dass im 21. Jahrhundert die Grenzen in Europa nicht mit Gewalt neu gezeichnet werden können."
Russland will bis 2016 Überschallbomber sowie Jagdflugzeuge auf die Krim verlegen. Sewastopol soll zum Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte ausgebaut werden, meldete die Agentur Interfax. Zudem treibt Moskau den Truppenaufbau an der Grenze zur Ukraine westlichen Sicherheitskreisen zufolge weiter voran. Es werde davon ausgegangen, dass mehr als 30.000 russische Soldaten dorthin verlegt worden seien, verlautete am Mittwoch aus europäischen und US-Sicherheitskreisen. In der vergangenen Woche lag die Zahl laut Medienberichten noch bei 20.000.
In US-Regierungskreisen hieß es, es sei unklar, welches Ziel der russische Präsident Wladimir Putin mit der Truppenverlegung an die Grenze verfolge. Eine Militäraktion könne allerdings nicht ausgeschlossen werden. Die EU-Staaten haben für den Fall einer russischen Invasion in der Ukraine eine scharfe Reaktion angekündigt.
Die USA wollen eine stärkere NATO-Präsenz in Polen und im Baltikum. Dies solle durch intensivere Rotation von Militäreinheiten erreicht werden, sagte der stellvertretende US-Sicherheitsberater Ben Rhodes am Mittwochabend. Die NATO-Minister würden nächste Woche über eine "dauerhafte Präsenz" beraten, um die Verbündeten zu beruhigen.
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