Poroschenko bestätigt Abzug aus Debalzewe

Rebellen haben die Stadt Debalzewe eingenommen.
Rebellen haben die Stadt eingenommen, Militär zieht sich zurück. Minsker Viererrunde will sich am Abend beratschlagen.

Seit Sonntagnacht hätte die Waffenruhe in der Ukraine gelten sollen – davon hat man im Osten des Landes bis dato nicht viel gemerkt: Die strategisch wichtige Stadt Debalzewe wurde von den Rebellen eingenommen, „viele Opfer“ seien zu beklagen gewesen, hieß es seitens der pro-russischen Separatisten. In der Stadt haben sich bis zu 8000 ukrainische Soldaten aufgehalten - sie haben nun, wie die russische Agentur RIA berichtet, den Rückzug angetreten.

Hunderte ukrainische Truppen hätten sich ergeben, so die Nachrichtenagentur unter Berufung auf einen Vertreter der prorussischen Rebellen. Die ukrainischen Streitkräfte in Debalzewe bestätigen das, Dutzende Panzer und Armeefahrzeuge der Streitkräfte zogen sich aus der Stadt zurück.

Poroschenko reist in den Osten

"Das Militär mitsamt Waffen wird zurückgezogen", bestätigte auch Präsident Petro Poroschenko laut der Agentur TASS. Bisher hätten vier Fünftel der Soldaten den strategisch wichtigen Ort "organisiert" verlassen, teilte er am Mittwoch in Kiew mit. Er kündigte zudem an, in die Krisenregion reisen zu wollen.

Die Separatisten sollen indessen mit dem Abzug der schweren Waffen begonnen haben - ein Punkt, der in der Vereinbarung von Minsk bereits für gestern vorgesehen war. Möglich, dass die Rebellen erst den umkämpften Knotenpunkt einnehmen wollten; möglich auch, dass dies mit Kiew im Geheimen akkordiert war.

Inzwischen hat auch die NATO mit Nachdruck zur Einhaltung der Minsker Vereinbarung aufgerufen. Jens Stoltenberg fordert von Russland den "Abzug all seiner Truppen". "Russische Streitkräfte, Artillerie und Luftabwehreinheiten sowie Kommando- und Kontrollelemente sind weiter aktiv in der Ukraine", sagte Stoltenberg in der lettischen Hauptstadt Riga.

Die Präsidenten Russlands, Frankreichs und der Ukraine sowie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen nach Angaben aus Paris am Abend erneut über die Lage in der Ukraine beratschlagen. Das teilte der französische Regierungssprecher Stephane Le Foll am Mittwoch mit. Dabei soll es sich um eine Telefonkonferenz handeln.

Internationale Kritik

Die Gefechte bei Debalzewe gelten als massiver Verstoß gegen das Friedensabkommen, das bei Verhandlungen in Minsk geschlossen worden war. Die Europäische Union hat den prorussischen Rebellen den Bruch der Vereinbarung vorgeworfen. Das Vorgehen "durch die von Russland unterstützten Separatisten" in der Stadt Debalzewe sei "eine klare Verletzung der Waffenruhe", erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Mittwoch in Brüssel.

Mogherini forderte, die Kiew-Gegner müssten "alle militärischen Aktivitäten stoppen". Sollten die Kämpfe anhalten, sei die EU zu einer "angemessenen" Reaktion bereit, erklärte Mogherini, nachdem die Europäer in dem Konflikt schon eine Reihe von Sanktionen verhängt haben. Mogherini verlangte neben der Einhaltung der Waffenruhe und dem vereinbarten Abzug schwerer Waffen "sofortigen Zugang" für Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) insbesondere in die Region um Debalzewe. Darüber hinaus müssten "alle, die das Gebiet verlassen wollen, freies Geleit" bekommen.

Auch die deutsche Regierung hat die Einnahme Debalzewes scharf verurteilt. Die neue Gewalt belaste und verletze dieses Abkommen und die Friedenshoffnungen schwer. "Das bringt ohne jede Rücksicht großes Leid, weitere große Not über die Bevölkerung der Region." Die Frage, ob das Minsker Abkommen gescheitert sei, wollte Seibert weder mit einem klaren Ja noch mit einem Nein beantworten.

USA geben Russland Schuld

US-Vizepräsident Joe Biden drohte Russland "höhere Kosten" an, sollte Moskau weiter gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen. Die Separatisten handelten bei Debalzewe im Einvernehmen mit Russland, hieß es in einer Mitteilung aus Bidens Büro. Er hatte zuvor mit Poroschenko telefoniert.

Moskau wollte Kapitulation

Russland hatte den Separatisten im Vorfeld aber eine klare Linie vorgegeben: Kremlchef Putin hatte Kiew klar zur Kapitulation in Debalzewe aufgerufen. "Die ukrainischen Offiziellen sollten ihre Soldaten nicht daran hindern, die Waffen niederzulegen", sagte Putin am Dienstag bei einem Ungarn-Besuch (mehr zum Besuch hier).

Nur dann würde die vergangene Woche vereinbarte Waffenruhe auch Bestand haben. Putin betonte zugleich, zur Beilegung des Konflikts könne es "keine militärische Lösung" geben. Dem Westen warf der russische Präsident vor, der Ukraine bereits Waffen zu liefern. Der UN-Sicherheitsrat forderte einstimmig die sofortige Einhaltung der Waffenruhe.

Debalzewe ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in der Region. Auch nach dem Inkrafttreten der Feuerpause in der Nacht auf Sonntag tobten dort Kämpfe. Tausende ukrainische Soldaten sollen eingekreist sein. Ukrainische Truppen und prorussische Separatisten warfen sich gegenseitig Verstöße gegen die Waffenruhe vor. Am Dienstag nahmen die Aufständischen Debalzewe nach erbitterten Gefechten weitgehend ein. Damit gab es knapp eine Woche nach dem Minsker Gipfel nur noch wenig Hoffnung auf baldigen Frieden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko rief die internationale Gemeinschaft auf, alles für eine Umsetzung der in der weißrussischen Hauptstadt vereinbarten Abmachungen zu tun.

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