Türkischer Minister kritisiert EuGH-Kopftuch-Urteil

Justizminister Bekir Bozdag
Das Urteil sei eines demokratischen Rechtsstaates nicht angemessen, sagte der türkische Justizminister.

Der türkische Justizminister Bekir Bozdag hat das jüngste Kopftuch-Urteil des Europäischen Gerichtshofs scharf verurteilt. Bozdag nannte die Entscheidung am Mittwoch eine "Zerstörung der internationalen Regeln betreffend die Menschenrechte, die freie Wahl des Arbeitsplatzes, die Religions- und Gewissensfreiheit sowie einen Bruch der Werte der EU", wie die Zeitung "Hürriyet Daily News" berichtete.

Der EuGH hatte am Dienstag entschieden, dass Unternehmen ihren Arbeitnehmerinnen das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbieten dürfen. Allerdings müsse es dafür eine allgemeine unternehmensinterne Regel geben, die nicht diskriminierend sei und das Tragen aller politischen, weltanschaulichen oder religiösen Zeichen betreffe.

Menschen zu zwingen, sich zwischen ihrem Glauben und ihrer Arbeit zu entscheiden, sei der Würde eines demokratischen Rechtsstaates nicht angemessen. Es handle sich um eine große Primitivität und eine überholte Praxis, meinte Bozdag, der von einer "Wiederauferstehung einer mittelalterlichen Mentalität im 21. Jahrhundert" sprach.

EuGH leiste Extremismus Vorschub

Der türkische Minister bekräftigte in diesem Zusammenhang von der türkischen Regierung geäußerte Vorwürfe, wonach Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Islamphobie in Europa auf dem Vormarsch seien. Die europäischen Regierungen machten sich diese Stimmung zunutze anstelle sie bekämpfen. Völlig inakzeptabel sei es, wenn der EuGH oder ein belgisches Gericht, deren Aufgabe die Sicherstellung der Menschenrechte, des Rechts und der Gerechtigkeit sei, solchem Extremismus Vorschub leiste, indem es noch extremere Entscheidungen treffe.

Eine Rezeptionistin aus Belgien und eine IT-Expertin aus Frankreich hatten ihren Job verloren, nachdem sie auf das Tragen des islamischen Kopftuchs bestanden. Der EuGH hatte am Dienstag die Grundsatzfrage beantwortet, wonach Unternehmen prinzipiell ihren Arbeitnehmerinnen das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbieten können.

Der Gründer der Türkischen Republik, Mustafa Kemal Atatürk, hatte ab den 1920er Jahren strenge Bekleidungsvorschriften für Männer und Frauen erlassen. Das Tragen des islamischen Kopftuches wurde in staatlichen Einrichtungen und Universitäten verboten. Die islamisch-konservative Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte diese Verbote schrittweise aufgehoben, zuletzt auch im Militär. Kritiker sehen darin einen Versuch, den laizistischen Charakter des Staates zu unterhöhlen.

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