Erdoğan gegen Kilicdaroglu: Stichwahl in Türkei in zwei Wochen

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan und seine Frau Ermine
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan liegt nach Angaben der Wahlbehörde im Rennen um das Präsidentenamt vorne - aber nur knapp.

Zuerst waren es 59 Prozent, dann 56, jetzt sind es nur mehr knapp unter 50: Die Zahlen, die in der Türkei zur Wahl des Präsidenten veröffentlicht wurden, haben eine heftige Kontroverse ausgelöst. Eigentlich hatte die oberste Wahlbehörde verfügt, dass Ergebnisse erst dann veröffentlicht werden dürfen, wenn ein valides Ergebnis vorliegt. Dieser Bann wurde aber etwa eine Stunde nach Wahlschluss aufgehoben - bei einem Auszählungsgrad von neun Prozent.

Dass der amtierenden Präsident Recep Tayyip Erdoğan da in Führung lag, ist für Beobachter nicht verwunderlich: Zuerst wird in ländlichen Gebieten ausgezählt, und dort ist traditionell die AKP stark. Je mehr Stimmen ausgezählt waren, desto kleiner wurde Erdogans Vorsprung dann auch.

Der türkische Erdogan muss sich erstmals einer Stichwahl stellen.

Inzwischen sind 99 Prozent der Wahlurnen im Inland und 84 Prozent der Auslandsstimmen ausgezählt. Erdogan kommt auf 49,4 Prozent, wie der Leiter der Wahlbehörde, Ahmet Yener, am Montag mitteilte. Dahinter folgt demnach mit 44,96 Prozent Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, der an Spitze eines Sechs-Parteien-Bündnisses steht. 5,2 Prozent entfielen auf den Ultranationalisten Sinan Ogan.

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Erdoğan zeigte sich siegessicher vor Anhängern

Amtsinhaber Erdoğan sah sich in der Nacht auf Montag jedenfalls "mit Abstand vorne". Bis die vorläufigen Ergebnisse veröffentlicht werden, werde es aber noch einige Zeit brauchen, sagte er in der Nacht auf Montag vor jubelnden Anhängern in Ankara. "Den Willen des Volkes muss jeder respektieren", sagte er weiter. 

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Streit um Zahlen

Die Opposition zeigte sich Sonntagnacht verärgert über die Veröffentlichung der Zahlen, bevor ein valides Ergebnis da war: Sie warf der AKP, der massiver Einfluss auf die Wahlbehörde nachgesagt wird, Manipulation vor. Dies hat wohl auch Methode in der Türkei. Schon bei vergangenen Wahlen waren für die AKP günstige Teilergebnisse veröffentlicht worden, um vor allem in den internationalen Medien ein gewisses Meinungsbild zu produzieren, bestätigen Journalisten.

Innerhalb der Opposition zeigte man sich dennoch optimistisch, das Rennen noch für sich entscheiden zu können - jetzt oder in zwei Wochen. Erdogans Herausforderer Kilicdaroglu twitterte sogar: "Wir liegen vorn." Seine Partei habe selbst Erhebungen durchgeführt, die darauf hindeuten, dass der Sechsertisch - also das Bündnis um ihn - in Ankara und Istanbul führe; die Stimmen in den Großstädten fehlten am frühen Abend noch. 

Die private Nachrichtenagentur Anka, die keinem staatlichen Einfluss unterliegt, sah den Abstand zwischen Erdogan und Kilicdaroglu deutlich geringer. Der AKP gefiel das freilich wenig: Erdogan nannte die Vorwürfe der Opposition einen "Raub des nationalen Willens". 

Auch im Parlament wird es knapp

Auch im Parlament deutete sich ein knappes Rennen an. Nach Öffnung von 82,7 Prozent der Wahlboxen hat die Erdoğan-Allianz nach Angaben von Anadolu eine knappe Mehrheit von 50,5 Prozent der Stimmen. Das Bündnis um Kilicdaroglu käme demnach nur auf 34,5 Prozent der Stimmen. Selbst mit der Unterstützung der Allianz um die prokurdische HDP (9,5 Prozent) kämen sie nicht auf eine absolute Mehrheit.

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