Türkei bestellt Gesandten der deutschen Botschaft ein

Anhänger des türkischen Staatspräsidenten in Köln.
Türkischer Justizminister bezeichnete das Überstragungs-Verbot der Erdogan-Rede als "Schande" für die Demokratie.

Die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, keine Politiker aus der Türkei bei der gestrigen Demonstration von Erdogan-Anhängern auf einer Großbildleinwand zeigen zu lassen, sorgt weiter für diplomatische Verstimmungen. Am Montag bestellte das türkische Außenministerium den Gesandten der deutschen Botschaft in Ankara ein. Da Botschafter Martin Erdmann im Urlaub ist, nahm der Gesandte - sein Stellvertreter - den Termin wahr.

Zuvor hatte bereits Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin das Verbot als "inakzeptabel" bezeichnet und eine "befriedigende Erklärung" Deutschlands dafür verlangt.

"Tagtäglich vorkommende Normalität"

Die Bitte zum Gespräch sei zwischen Staaten eine "tagtäglich vorkommende Normalität", reagierte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, auf die jüngsten Entwicklungen. "Es ist gute Gepflogenheit, einer solchen Einladung Folge zu leisten." Überlegungen, den Botschafter abzuziehen, gebe es nicht. "Das wäre auch kontraproduktiv, so etwas so zu tun. Der Abbruch von Dialog und Kommunikation wäre ganz sicher nicht das richtige Mittel."

Nicht durch Versammlungsrecht gedeckt

Die Veranstalter der Kundgebung in Köln hatten zunächst eigentlich geplant, Erdogan live auf einer Großleinwand zu zeigen, was angesichts der aufgeheizten Stimmung jedoch vom Oberverwaltungsgericht in Münster verboten worden worden war. Eine Videoleinwand sei lediglich zur Übertragung der Veranstaltung gestattet, Zuschaltungen von auswärtigen Rednern sind demnach nicht erlaubt, sie seien durch das deutsche Versammlungsrecht nicht gedeckt, hieß es in der Begründung. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am Samstag einstimmig und in letzter Instanz das Verbot - ein Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung wurde aus formalen Gründen abgelehnt.

"Schande für Demokratie"

Noch am Sonntagabend hatte sich auch der türkische Justizminister Bekir Bozdag via Twitter zu Wort gemeldet und Deutschland eine ungerechte Behandlung der dort lebenden Türken vorgeworfen. Das Verbot der Übertragung sei auf "widerrechtliche und unhöfliche Art" erfolgt, zitiert Spiegel.de Bozdag. Die Entscheidung sei eine "Schande" für Demokratie und Recht. Deutschland sei für viele "ernste Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten" verantwortlich. Es sei von nun an inakzeptabel, wenn Deutschland gegenüber der Türkei die Begriffe Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Freiheit auch nur in den Mund nehme.

Kritik an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt am Montag auch aus Deutschland selbst. "Ein Veranstalter einer Demonstration kann Inhalt und Ablauf einer Versammlung selbst bestimmen. Dazu gehört auch, wer wie redet", kommentierte Christian Rath in der taz. (Mehr Pressestimmen zur gestrigen Demonstration finden Sie hier)

Weitgehend friedlicher Verlauf

Laut Angaben der Polizei verlief die Demonstration mit rund 40.000 Teilnehmern letztlich weitgehend friedlich. Lediglich am Kölner Heumarkt sei es abseits der Großdemonstration am Nachmittag zu einer Auseinandersetzung zwischen rund 80 rechtsnationalen Türken und mehr als hundert kurdischen Teilnehmern einer linken Gegendemonstration gekommen. Mehrere Rauchbomben seien gezündet worden. Die Polizei konnte beide Lager trennen. Über mögliche Verletzte war zunächst nichts bekannt.

Vor dem Kölner Bahnhof demonstrierten nach Polizeiangaben rund 250 Anhänger der rechten Partei Pro NRW, darunter auch eine "größere Anzahl" Hooligans. Ein Polizeisprecher beschrieb die Stimmung als "durchaus aggressiv". Es gab Personenkontrollen und zahlreiche Durchsuchungen. Die Kundgebung der Rechten wurde letztlich aufgelöst.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot von rund 2700 Beamten im Einsatz, um die Demonstrationen abzusichern und Auseinandersetzungen zu verhindern. Acht Wasserwerfer und gepanzerte Räumfahrzeuge standen bereit.

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