Tschechien und Estland fordern EU-Visa-Stopp für russische Touristen
Nach Finnland fordern jetzt auch Estland und Tschechien den Stopp der Vergabe von EU-Visa an russische Touristinnen und Touristen. Das könnte eine "weitere wirksame Sanktion" sein, sagte der tschechische Außenminister Jan Lipavsky gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur CTK. Er will das Thema bei einem Treffen der EU-Außenminister Ende August in Prag ansprechen.
"In der Zeit der russischen Aggression, deren deklarierte Grenzen immer wieder verschoben werden, kann keine Rede von einem normalen Tourismus russischer Bürger sein. Es handelt sich um unsere Sicherheit", sagte Lipavsky. Er bemühe sich, den "Einfluss der russischen Geheimdienste auf EU-Gebiet zu begrenzen".
Einreise nur per Landweg
Tschechien hatte bereits einen Tag nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Visa-Erteilung an Russinnen und Russen eingestellt. Später erging dieselbe Maßnahme gegen Belarus. Die EU hatte Ende Februar den gesamten Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt. Russinnen und Russen können seither aber weiterhin mit einem Visum auf dem Landweg nach Estland, Lettland oder Finnland einreisen und von dort aus weiterfliegen.
"Europa zu besuchen ist ein Privileg, kein Menschenrecht", twitterte am Dienstag auch Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas und forderte ebenfalls ein generelles Verbot von EU-Tourismus-Visa an Russinnen und Russen. "Stoppen Sie die Ausstellung von Touristenvisa für Russen", schrieb Kallas. "Während Schengen-Länder Visa ausstellen, tragen Russlands Nachbarländer die Last."
Auslöser für Kallas Tweet war ein Video, das eine Russin während ihres Urlaubs in Salzburg auf Telegram gepostet hatte. Die junge Frau hatte sich selbst dabei gefilmt, als sie auf der Straße zwei Frauen verspottete. "Mädels, Ruhm für Russland?", rief sie und sang "Russland wird siegen, Russland wird siegen." Dann fragte sie die zwei Frauen provozierend, von denen sie offensichtlich ausging, dass sie Ukrainerinnen seien: "Wem gehört Cherson?" Die undeutliche Antwort einer der beiden lautete wahrscheinlich: "Der Ukraine." Daraufhin höhnte die Russin: "Ja, ja, ja zur Ukraine." Ein Referendum werde schon durchgeführt. "Zum Teufel mit eurer Ukraine." Die Buchungsplattform booking.com stornierte daraufhin ihre Unterkunft.
Scholz sieht Verbot skeptisch
Ein EU-Visa-Stopp für russische Bürgerinnen und Bürger wäre ein "klares und direktes Signal" an die russische Gesellschaft, dass der Westen eine Aggression gegen freie demokratische Länder, die Russland keinerlei bedrohen, nicht tolerieren werde", erklärte Außenminister Lipavsky. Die russischen Bürgerinnen und Bürger "sollten spüren, dass eine militante Politik Folgen hat".
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz beurteilt ein generelles Einreiseverbot für Russinnen und Russen nach Europa indes skeptisch. "Das ist Putins Krieg, deshalb tue ich mich damit schwer", sagte Scholz am Donnerstag vor Journalistinnen und Journalisten in Berlin. Die EU habe bereits weitreichende Sanktionen gegen Personen aus dem Moskauer Machtzentrum beschlossen. "Das werden wir auch fortsetzen."
Er halte es aber nicht für gerechtfertigt, Strafmaßnahmen gegen alle Russinnen und Russen zu verhängen. Der CDU-Parlamentarier Norbert Röttgen - bis Oktober 2021 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im deutschen Parlament - hatte zuvor via Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen "sofortigen" Stopp der "freizügigen Visavergabe an russische Staatsbürger durch die Bundesregierung" gefordert.
Erst Anfang August hatte die finnische Regierung mitgeteilt, die Visa-Regelungen für Russinnen und Russen zu verschärfen. Russischen Staatsbürgern sollen Touristenvisa nicht mehr nach den bisherigen Bestimmungen erteilt werden, berichtete der finnische Rundfunksender Yle. Das Außenministerium in Helsinki bereite entsprechende Maßnahmen vor, die auf einem EU-Außenministertreffen Ende August besprochen werden sollten, sagte Außenminister Pekka Haavisto dem Sender.
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