Die Telefon-Geschichte
Trump und Selenskij, das ist eine spezielle Geschichte. Die beiden Politiker kennen sich Selenskijs Amtsamtritt 2019, da war der jetzige Kriegspräsident noch belächelter Ex-Komiker. Trump hatte ihn damals angerufen und recht undezent versucht, Ermittlungen gegen Joe Bidens Sohn in der Ukraine anzuschieben – ein Telefonat, das Trump danach ein Amtsenthebungsverfahren einbrachte. Vor dem Telefonat hatte Trump nämlich die Ukraine-Hilfen eingefroren, nicht wenige sahen darin Erpressung.
Das Impeachment scheiterte, die Differenzen blieben. Die haben freilich auch mit Trumps offener Bewunderung für Wladimir Putin zu tun: Seit der die Ukraine überfallen hat, sagt der Ex-US-Präsident immer wieder, wie „genial“ und „klug“ dessen Entscheidungen seien, und dass es diesen Krieg mit ihm im Oval Office einfach nicht gegeben hätte. Selenskij hingegen stilisiert er gern zum gierigen Bittsteller: Erst zu Beginn dieser Woche, kurz nachdem Selenskij in der US-Waffenfabrik war, nannte ihn Trump bei Wahlkampfveranstaltungen den „größten Verkäufer der Welt“, der jedes Mal, wenn er die USA besuche, mit 60 Milliarden Dollar heimkomme und „kleine, böse Verleumdungen über mich, euren Lieblingspräsidenten“ verbreite. Den Besuch in der Waffenfabrik lässt der Republikaner vom Kongress sogar als unerlaubte Wahlkampfhilfe untersuchen: Die steht nämlich ausgerechnet in Joe Bidens Geburtsstadt.
Selenskijs Dilemma
Für Selenskij ist jede Begegnung mit Trump darum eine Gratwanderung. Offen entgegentreten kann er ihm nicht, schließlich droht mit der Wahl im November Trump 2.0 – und damit harte Schnitte bei den Militärhilfen. Allzu sehr andienen kann er sich Trump aber auch nicht, das würde ihm zu Hause auf den Kopf fallen. Kiews Emissäre probierten darum alles, um dessen Mannschaft milde zu stimmen, heuerten über einen Oligarchen etwa dessen Ex-Beraterin Kellyanne Conway als Lobbyistin an, um kolportierte 50.000 Dollar im Monat; auch der britische Ex-Premier Boris Johnson wurde eingespannt.
Das dürfte genutzt haben, zumindest ein kurzes Treffen kam am Freitag zustande. Selenskijs Dilemma war ihm da aber im Gesicht abzulesen: Als er neben Trump stand, fror ihm mehrmals die Miene ein; etwa, als Trump sagt, er habe sowohl zu ihm als auch Putin eine „sehr gute Beziehung“ und er werde eine Lösung suchen werde, „die für beide Seiten gut ist.“ Nichts sagte er auch zur Aussage, dass Selenskij ihn 2019 vor der Amtsenthebung gerettet hätte, damals wie „ein Stück Stahl“ gewesen sei. Selenskij hatte sich damals lediglich so gut rausgehalten, wie er konnte.
Ohnehin war der Ukrainer, der zu Trump hochschauen musste – er ist gut einen Kopf kleiner –, deutlich zurückhaltender als noch im Vorfeld. Da hatte Selenskij Trump via New Yorker-Interview ausgerichtet, er halte ihn für „zu radikal“; auch dessen Fähigkeiten, den Krieg tatsächlich zu befrieden, zog er da in Zweifel. „Ich habe das Gefühl, dass Trump nicht wirklich weiß, wie er den Krieg beenden kann. Auch wenn er vielleicht glaubt, es zu wissen.“
Da mag Selenskij recht haben. Trump hat bisher noch nie konkret über seine Pläne zu einer Friedensfindung gesprochen; und die Washington Post berichtete, sein Plan bestehe primär daraus, Kiew zur Aufgabe der Krim und des Donbass zu zwingen. Erst kürzlich soll er dazu im kleinen Kreis gesagt haben, dass viele Ukrainer es ja „okay“ fänden, Teil von Russland zu sein. Eine Einschätzung, die sein Gegenüber Selenskij definitiv nicht teilt.
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