Pro Trump oder pro Putin? Die AfD im Autokraten-Dilemma
Trumps USA oder Putins Russland? Die AfD-Doppelspitze Alice Weidel und Tino Chrupalla ist sich uneins im außenpolitischen Kurs der Partei.
Als "mutiger AfDler" wurde Jörg Urban vom Moderator des rechtsextremen Compact-Magazins gelobt, der sich den Anweisungen seiner Parteichefin Alice Weidel widersetzt hat und in den russischen Urlaubsort Sotschi zum "Brics Europe"-Treffen gereist ist. Kein offizielles Treffen der BRICS-Länder, sondern ein von Russland initiierter Propaganda- und Vernetzungsgipfel, bei dem "abtrünnige" Europäer hofiert werden und zeigen sollen, dass Moskau in Europa durchaus noch Verbündete hat. Regelmäßig zu Gast ist etwa der Enkel von Charles de Gaulle, Pierre de Gaulle, Anhänger von Marine Le Pen, der in der Vergangenheit die Sanktionierung russischer Oligarchen mit der Judenverfolgung in Europa verglich.
Jörg Urban, Chef der als rechtsextrem eingestuften AfD in Sachsen, war mit zwei Parteikollegen vor Ort: dem Europaabgeordneten Hans Neuhoff und dem Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré, der es mit der Aussage "Deutsche Waffen töten in der Ukraine Russen, aber keine russischen Waffen Deutsche" in die russischen Medien schaffte. Urban posierte für Fotos, gab Interviews und behauptete, die Sanktionen Europas hätten dazu geführt, dass Unternehmen in Sachsen "schließen oder ins Ausland abwandern". Anfang Jänner hatte er bei im TV erklärt, es sei nicht relevant, "ob ein Gebiet mehr oder weniger zur Ukraine gehört".
Die Russland-Nähe der AfD ist wenig überraschend. Doch gab es diesmal auffallend laute Kritik aus der Partei: Weidel erklärte, sie könne nicht verstehen, "was man da eigentlich soll“, hatte mit Konsequenzen bis zum Parteiausschluss gedroht. Von AfD-Co-Vorsitzendem Tino Chrupalla bekam Urban Rückendeckung: Russland stelle keine Bedrohung für Deutschland dar – oder zumindest nicht mehr als Polen.
Doppelgleisig
Die Debatte offenbart einen alten Richtungsstreit der Rechtspartei, die sich in den Personalien Weidel und Chrupalla niederschlägt: Pro West oder pro Ost – pro Trump oder pro Putin?
Lange hat die AfD aus ihrer Doppelgleisigkeit einen Nutzen gezogen: Auf der einen Seite Tino Chrupalla, das Gegenbild zur politischen Elite, der Handwerksmeister aus dem östlichsten Zipfel Deutschlands, der völkische Stimmen und rechtsextremistische Vorfälle in der Partei abtut und die teils immer noch tief verwurzelte Sowjet-Nostalgie im Osten bedient. Er plädiert dafür, mehr Fachkräfte "aus eigener Kraft", sprich durch ein Ankurbeln der Geburtenrate in Deutschland, zu generieren.
Auf der anderen Seite die wirtschaftsliberale Investmentbankerin Alice Weidel, die zwar rechtsextremen Jargon nutzt, sich jedoch als "seriöses" Gesicht der AfD positioniert und um die Außenwirkung und Professionalität der Partei bemüht ist. Sie sucht den Kontakt zu Rechtspopulisten und Libertären in den USA: Elon Musk warb für sie vor der Bundestagswahl, in US-Vizepräsident JD Vance fand sie einen Verbündeten im Kampf gegen ein Parteiverbot der AfD. Mittlerweile holt die AfD damit auch den wirtschaftsliberalen Transatlantiker aus dem bürgerlichen Milieu ab. Bei der Bundestagswahl im Februar 2025 holte die AfD in den westdeutschen Bundesländern zwischen 16 und 21 Prozent (in den ostdeutschen Ländern waren es weitaus mehr, in Thüringen 38,6 Prozent).
Alice Weidel beim Wahlkampfauftakt in Halle am 25. Januar 2025 mit Live-Schlatung zu Elon Musk.
Putin für CDU ein Tabu
Zwar haben die USA unter Donald Trump einen ideologischen Kurswechsel vollzogen, der es der AfD noch einfacher macht, die Anbiederung sowohl an die USA als auch an Russland zu rechtfertigen – die demokratiefeindlichen Züge des US-Präsidenten, der Kampf gegen die angeblich linke, woke "Cancel Culture“ als Vorwand zur Einschränkung von Meinungsfreiheit. Doch fürchtet man selbst in der AfD, dass die Russland-Hörigkeit der Partei einer künftigen Regierungsbeteiligung im Weg stehen könnte.
Weidel ist daher bemüht, diese zu verschleiern: Im September hatte Weidel das Eindringen russischer Kampfflugzeugflugzeuge in den NATO-Luftraum als "Provokation“ verurteilt, während Chrupalla von "Propaganda“ sprach.
Den ehemaligen EU-Abgeordneten Maximilian Krah hat die Partei wegen umstrittener Äußerungen und möglicher Verbindungen zu Moskau – er soll Gelder aus Russland angenommen haben – aus der Delegation ausgeschlossen. Der außenpolitische Sprecher der AfD im Bundestag verlor seinen Posten, weil er als Musiker eine Honorarprofessur in Russland antrat. Gleichzeitig ist die AfD mit dem Vorwurf konfrontiert, parlamentarische Anfragen zu kritischer Infrastruktur und Sicherheitsangelegenheiten zu stellen, und die Infos an den Kreml weiterzugeben.
In einer Forsa-Umfrage schätzen 47 Prozent der Deutschen die militärische Bedrohung durch Russland als "groß“ ein. Das ist auch Konsens in jener Partei, die trotz Beschwörung der Brandmauer zur AfD am ehesten mit ihr zusammenarbeiten würde: die Union. Selbst im rechtskonservativen Flügel, der mit einer Öffnung gen rechts liebäugelt, ist die Nähe zu Putin ein Tabu. Auch deshalb umgarnt Weidel lieber Trumps MAGA-Bewegung – die hat schließlich auch Sympathisanten in der Union, etwa Fraktionschef Jens Spahn.
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